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Positionierung Integration: Mitglieder und Sponsoren gewinnen

Positionierung Integration: Mitglieder und Sponsoren gewinnen

Vereinsentwicklung

Positionierung ohne sportlichen Erfolg

 

Integration kann neben seiner gesellschaftlichen Wichtigkeit auch ein Weg sein, seinen Verein stärker zu positionieren und damit neue Mitglieder zu erreichen. Hierfür haben wir Roy Gündel als unseren Experten für Integration erneut in den Podcast eingeladen. Er ist Leiter des Fachbereichs Integration und Sport/soziale Arbeit beim LSB Niedersachsen. Der Beitrag ist eine Zusammenfassung der wesentlichen Aspekte des Interviews.

Gleich vorneweg das Fazit: Ja, es macht Sinn, dass sich Vereine in vielen gesellschaftlichen Belangen stark positionieren. Das liegt schon in der Grundstruktur der Vereine selbst verankert. Sie übernehmen soziale Funktionen und können deswegen auch nicht unpolitisch sein. Jeder Verein sollte sich schließlich zu den Grundwerten einer liberalen Demokratie bekennen, auch wenn die meisten parteipolitisch neutral sind. Der Bereich der Integration ist deswegen besonders interessant, weil bei einer starken Positionierung Vorteile für den Verein winken. Er wird bei einem hohen Engagement als relevanter Akteur vor Ort wahrgenommen. Dies erleichtert aber auch die Zusammenarbeit in anderen Bereichen bzw. hilft eigene Belange in anderen Fragestellungen durchzusetzen.

Die Vorteile der Positionierung „Integration“

Deswegen schauen wir als nächstes einmal darauf, was passieren könnte, wenn ein Verein sich für die Positionierung im Bereich der Integration und des gesellschaftlichen Zusammenhaltes entscheidet. Grundsätzlich vertritt man mit dieser Positionierung Werte außerhalb des sportlichen Erfolgs. Diese Werte und die Menschen, die ihr damit erreicht, können für bestimmte Unternehmen vor Ort attraktiv sein. Sie wollen von eurem Image partizipieren und damit erscheint ein Vereinssponsoring möglich.
Ebenso werden aber auch die Kommunen mehr auf euch aufmerksam, da ihr einen gesellschaftlichen Mehrwert vor Ort geniert. Ihr fördert die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, bringt Menschen zusammen, fördert den sozialen Austausch und schafft für Menschen eine neue Heimat. Dies sind meist genügend Gründe für eine Kommune euch zu unterstützen bei Themen wie Hallenzeiten, Bau von neuer Infrastruktur oder auch Zuschüssen. Der sportliche Erfolg dagegen ist der Kommune egal.
Wahrscheinlich ist aber auch, dass ihr eure Mitgliederbindung erhöht. Die Mitglieder kommen nicht nur wegen dem Training zu euch, sondern vor allem wegen der Menschen. Allein für den Sport könnten sie auch woanders hingehen. Die Mitglieder finden das, wofür der Verein steht gut und unterstützenswert. Dann ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass selbst Mitglieder, welche nicht mehr in der Nähe des Vereins wohnen oder nicht mehr aktiv Sport treiben, trotzdem ihre Mitgliedschaft behalten wollen, weil sie das Engagement des Vereins im Bereich Integration unterstützen wollen.
Wenn man sich für die Positionierung „Integration“ entscheidet, muss man dies aber auch immer im Gesamtspektrum des Vereins sehen. So ist die Integrationsarbeit als die eine Positionierung auch nicht zielführend, weil man dann zu einseitig arbeitet. Man darf allerdings auch nicht zu viele Schwerpunkte setzen, weil es dann auch keine Schwerpunkte mehr sind. Hier besteht die Gefahr, dass sich Vereine übernehmen, denn häufig gehen diese Schwerpunkte auf einzelne Personen oder Personengruppen zurück. Hört eine Person im Verein auf, so kann der Schwerpunkt wegbrechen oder sich durch den Personenwechsel stark verändern. Diese Fluktuation muss bedacht werden und es muss vorher festgelegt werden, wie solche personellen Verluste aufgefangen werden. Dafür ist es aber wichtig die richtigen Prioritäten bzgl. des Gesamtvereins zu setzen. Nicht jeder Verein muss jedes Thema zu seiner Priorität erklären, viel wichtiger ist die Frage: „Was ist sinnvoll und was möchte ich?“.

Gefahren bei der Positionierung „Integration“

Die Wichtigkeit mehrere Schwerpunkte zu setzen, anstelle sich nur auf „Integration“ zu fixieren, wurde gerade schon beschrieben, aber nicht, warum die Fixierung eigentlich ein Fehler ist. In erster Linie sind alle Mitglieder in einem Sportverein Sportler. Doch wenn ein Verein sich nur auf die Integration fixiert, besteht die Gefahr, dass dieses Thema alles andere überstrahlt und Menschen auf ihre Herkunft reduziert werden. Aus Sportlern werden dann Migranten in der Wahrnehmung, also genau das Gegenteil von dem, was eigentlich gewollt ist. Hier muss am Ende entschieden werden, inwieweit trage ich diese Positionierung nach außen oder setze sei einfach im Verein um.
Eine weitere Gefahr ist, nicht ausreichend auf die Resonanz der Mitglieder zu hören. Es gibt immer Vorbehalte und Widerstände bei einer solchen Positionierung. Wichtig ist es genügend Raum für den Austausch zu geben, um interkulturelle Konflikte zu klären und zu lösen. Natürlich darf dieser Austausch nur in vorher festgelegten Grenzen erfolgen, sollte immer auf Augenhöhe erfolgen und man sollte nicht übereinander, sondern miteinander sprechen. Beachtet hier auch den entsprechenden Sprachgebrauch eurer Mitglieder. Mit dieser Resonanz kann man dann Schritt für Schritt den Verein und auch die Positionierung weiterentwickeln und festigen.

Mitgliedergewinnung durch die Positionierung „Integration“

Für die Mitgliedergewinnung ist jede Positionierung nur ein Mosaikstein unter mehreren. So sind zur Gewinnung z.B. auch die Ansprechwege, die Angebotspalette im Verein oder auch das Auftreten von Hürden beim Vereinseintritt entscheidend. Grundsätzlichist es schwierig die Wirkung von „Integration“ quantitativ zu messen, da die Datenlage in diesem Bereich eher gering ist, aber es gibt Tendenzen, dass ich mit einer klaren Positionierung durchaus Vorteile bei der Mitgliedergewinnung habe. Wenn Menschen vorher keinen Kontakt zu Vereinen hatten, es also keine Sozialisation in diesem Bereich gab, dann können Leute über ein Integrationsprojekt an den Verein herangeführt werden und über den Austausch mit den Menschen teilweise auch fest an den Verein gebunden werden.
Im Podcast wurden u.a. zwei Beispiele angesprochen, einmal ein Bauchtanzkur und ein Fahrradkurs. Diese Angebote sind sehr niederschwellig und haben in der Praxis sehr integrativ gewirkt. Der Bauchtanzkurs wurde bespielweise später sogar fest ins Vereinsportfolio aufgenommen, weil er sehr gut angenommen wurde. Ein Fahrradkurs kann dabei helfen den Aktionsradius zu erhöhen und Menschen überhaupt erst das regelmäßige Vereinstraining zu ermöglichen. Höre hier gerne noch einmal rein, wenn dich dies näher interessieren sollte.
Die Frage ist jetzt natürlich: „Wie finde ich das richtige Angebot, um Migranten zu gewinnen?“. Und hier kann man ganz klar sagen, dass auch diese Frage aufgrund der schlechten Datenlage nicht eindeutig zu beantworten ist. Fest steht aber, dass folgende Faktoren einen Einfluss haben:

  • Nicht das Angebot bindet die Personen an den Vereinen sondern die Menschen. Integration muss im gesamten Verein gedacht werden, eigene Stereotypen sollte man hinterfragen und der Verein sollte sich regelmäßig reflektieren.
  • Wie viele Migranten überhaupt in meiner Region leben, ist individuell. In Großstädten gibt es meist mehr Menschen mit Migrationshintergrund als in ländlicheren Regionen. Im ländlichen Raum kommt dazu noch das Thema der Erreichbarkeit des Vereinsgeländes. Nicht jede Person hat ein Auto, um regelmäßig zum Training zu kommen. Dies beeinflusst natürlich auch deine mögliche Positionierung im Bereich Integration und deren Umsetzung.
  • Wer sich engagiert in der Integrationsarbeit, bekommt meist mit der Zeit auch einen diverseren Verein.

Angebotsbedarf ermitteln und umsetzen

Grundsätzlich sollte man genau im Verein prüfen, ob es sinnvoll und auch realistisch ist, ein Angebot umzusetzen, was es vor Ort noch nicht gab. Nehmen wir als Beispiel Cricket. Als erstes muss man schauen, ob der Bedarf nach Cricket in der Region artikuliert wird. Da der Sport in Deutschland eher unbekannt ist, wird er vor allem von Migranten mit pakistanischen Wurzeln gespielt. Angenommen der Bedarf wird z.B. in der Flüchtlingshilfe von genügend Personen artikuliert, dann sollte man sich als nächstes mit der Tatsache des schwierigen Spielfeldes auseinandersetzen. Die typischen Maße sind in Deutschland auf Sportplätzen sehr unüblich und deswegen müsste man für diesen Sport meist ein neues Spielfeld errichten. Am besten behilft man sich hier mit provisorischen Feldern und schaut erst einmal, ob die Gruppe dauerhaft zusammenbleibt. Erst dann sollte man weitere Schritte planen und ggf. darüber nachdenken eine Abteilung zu gründen. Wichtig ist es einfach zu Beginn kreativ zu sein und neue Sachen auszuprobieren. Im Fall von Cricket hat der Zuzug von Sporttreibenden dazu geführt, dass sich die deutschen Verbandsstrukturen im Cricket weiterentwickeln konnten und deutlich stärker sind als vor der Flüchtlingskrise.
Ziel eines Vereines bleibt es aber, neue Mitglieder durch Angebote zu gewinnen. Bei allen Sportarten im Wettkampfsport ist es leichter Personen zu überzeugen. Hier ist die Mitgliedschaft eine Grundvoraussetzung zur Teilnahme am Wettkampfbetrieb. Bei den verbleibenden Sportarten sieht es anders aus. Man sollte deshalb zu Beginn bei interessierten Personen mit Migrationshintergrund keine Mitgliedschaft erzwingen. Viel wichtiger ist es, dass das Angebot am Anfang möglichst unverbindlich ist. Gebt den Personen die Möglichkeit sich auszuprobieren und sich mit dem Angebot vertraut zu machen. Für diesen Zeitraum stellt der LSB Niedersachen z.B. Fördermittel zur Verfügung um den finanziellen Aufwand für das kostenlose Angebot auszugleichen. Bei einer positiven Entwicklung des Angebotes sollte man versuchen, die Personen von einer Mitgliedschaft zu überzeugen. Beim Cricket geht das wegen dem Wettkampfcharakter und der homogenen Gruppe tendenziell einfacher als z.B. beim Bauchtanzkurs.
Hier noch ein Hinweis zum Thema homogene Gruppen. Diese haben Vorteile aber auch Herausforderungen. Wenn ihr z.B. jetzt ein Cricket-Angebot mit einer vorhandenen Gruppe mit Migrationshintergrund bei euch im Verein implementieren wollt, hilft es sehr, wenn ihr einen Kümmerer im Verein habt (Was ein Kümmerer ist, erfährst du hier.). Dieser verbindet die Gruppe mit dem Rest des Vereins. Hierzu sollte er Räume zur Verständigung im Verein etablieren. So haben die verschiedenen Personen eine Möglichkeit sich auszutauschen und sich besser kennenzulernen. Der große Vorteil von homogenen Gruppen zu Beginn ist aber, dass sich Personen aufgrund der gleichen Sprache und Ansichten eher in der Gruppe fallen lassen können und nicht auf sich allein gestellt sind. Hierdurch habt ihr die Möglichkeit nicht nur einzelne Personen, sondern ganze Gruppen für euren Verein als Mitglieder zu gewinnen. Und je nach Sportart können sich diese Gruppen dann mit der Zeit auch stärker natürlich durchmischen, so dass sie aus Personen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen besteht.

Wie starte ich?

Schaut euch einfach in der Umgebung um und stellt euch folgende Fragen:

  • Mit wem habe ich es vor Ort zu tun?
  • Wen gibt es im Einzugsbereich schon?
  • Welche Angebote gibt es bereits (auch außerhalb des Sports)?

Mit den Trägern, welche Angebote anbieten, sollte man in Kontakt treten und schauen, ob man einen Aktionstag mit eigenen Angeboten gemeinsam durchführen kann. Dieser sollte so konzipiert sein, dass er schnell auf den Weg gebracht werden kann, so dass es nicht schmerzt, falls er am Ende nicht von Erfolg gekrönt ist. Danach beginnt die Nachbereitung. Je nach Bewertung des Tages solltet ihr auf dieser Grundlage entscheiden, was die nächsten Schritte sein sollten.
Potentielle Institutionen, wo man sich für Kooperationsarbeit hinwenden kann, um Migranten für den Sport und den Verein zu begeistern sind Flüchtlingsheime (z.B. Sporttag für Geflüchtete), Jugendtreffs oder Schulen. Außerdem zeigt es sich, dass es von Vorteil ist, Eltern-Kind-Angebote im Programm zu haben und die Kinder somit früh an den Verein zu binden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Positionierung „Integration“ durchaus lohnen kann, aber einige Besonderheiten beachtet werden müssen, um erfolgreich zu sein. Wir hoffen, dass dir dieser Beitrag dabei hilft, dein Vorhaben umzusetzen. Im Podcast gehen wir noch einmal stärker auf gewisse Teilaspekte dieses Beitrags ein. Höre also gern rein. Falls du Fragen oder Anmerkungen haben solltest, schreibe uns gern eine E-Mail an info@vereinsstrategen.de. Und wenn du uns einen Gefallen tun möchtest, dann empfehle uns einfach weiter.

Deine Vereinsstrategen
(Martin Schüttler)

So gelingt Integration im Verein

So gelingt Integration im Verein

Integration

Beispiele, Konfliktlösung und Umsetzung

 

Integration ist eines der meist diskutierten Themen in der Gesellschaft. Die Vereinslandschaft wird dabei als eine der Stützen für eine gelungene Integration gesehen. Das dies aber für viele Ehrenamtler im Verein eine große Herausforderung ist, die auch häufiger scheitert, wird von der Gesellschaft häufig übersehen. Damit du und dein Verein aber zumindest einen ersten Überblick bekommst, was beim Thema Integration alles zu beachten ist, haben wir uns in den Podcast Roy Gündel eingeladen. Er ist Leiter des Fachbereichs Integration und Sport/soziale Arbeit beim LSB Niedersachsen. Der Beitrag ist eine Zusammenfassung der wesentlichen Aspekte des Interviews.

Grundsätzlich hat das Thema Integration spätestens seit der Flüchtlingskrise 2016 stark an Bedeutung gewonnen. Aber bereits in den letzten 10 bis 20 Jahren hat sich durch mehrere Liberalisierungsschübe gesellschaftlich als auch im Sport extrem viel getan. Unterstützt wird diese Entwicklung durch die zunehmende Globalisierung und der damit weltweit zunehmenden Migration.
Wieso Vereine beim Integration eine so große Rolle spielen liegt in einer ihrer originären Grundfunktionen, nämlich starke gesellschaftliche Bindungskraft zu erzeugen, begründet. Diese soll auch bei zunehmender Migration weiterhin bestehen bleiben. Dafür muss man sich aber den veränderten Bedingungen stellen und sich mit diesen beschäftigen. In vielen Vereinen ist das Thema einer diverseren Gesellschaft bereits angekommen. Die erfolgreiche Integration von Migranten gelingt aber besonders gut, wenn man dieses Thema versucht bewusst zu steuern. Hier beginnt dann auch die Unterstützung durch den jeweiligen LSB.

Integration und Sportvereine – Die Datenlage

Bevor wir jetzt aber im Detail darauf eingehen, schauen wir uns erst einmal die Datenlage zum Thema Integration und Sportvereine an. Denn da stellt man recht schnell fest, es ist gar nicht so einfach. Da die Vereine (bewusst) keine Umfragen vom LSB zum Thema „Migrationshintergrund der Mitglieder, etc.“ gestellt bekommen, gibt es keine Datenbasis, womit nähere Untersuchungen möglich sind. Eine aussagekräftige Studie kommt hingegegen vom Bundesamt für Integration. Dieses hat ermittelt, wie die Bevölkerungsstruktur von Sportvereinen im Vergleicht zur Gesamtbevölkerung ist. Dabei kam unter anderem heraus, dass 70% aller Kinder auch Mitglied im Sportverein sind, bei Kindern mit Migrationshintergrund sind es nur 55%. Weitere Ergebnisse waren z.B. je schwieriger die soziale Situation ist, desto geringer ist der Organisationsgrad im Verein – auch dies trifft auf Personen mit Migrationsgrund häufiger zu. Aber auch die Herkunft ist entscheidend. Während man bei Personen aus den ehemaligen europäischen Ostblockstaaten keine nennenswerten Differenzen zu Menschen aus Deutschland findet, sind z.B. Mädchen mit türkischen Wurzeln in Sportvereinen stark unterrepräsentiert (16%). Ziel muss es aus Sicht des LSBs sein diese Unterschiede zu verringern.

Erschwerend bei solchen Umfragen kommt noch hinzu, dass jede Person auch eine unterschiedliche Meinung hat, was Integration eigentlich ist. Es gibt grundsätzlich mehrere Perspektiven und das „eine“ Konzept gibt es nicht. Der LSB sieht unter dem Begriff einen „fortwährenden Aushandlungsprozess mit dem Ziel der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen über soziale und kulturelle Unterschiede hinweg“. Das grundsätzliche Problem hinter dem Begriff ist, dass Menschen die zusammengebracht werden sollen, über diesen Begriff wieder in Schubladen gesteckt werden. Dabei handelt es sich meist immer um Fremdzuschreibungen – andere Menschen schreiben einer Person einen Migrationshintergrund zu, obwohl diese selber das vielleicht gar nicht so empfindet. Ein weiteres Problem ist die Übertonung der Feststellung des Migrationshintergrunds bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Unterschiede in den verschiedenen Gruppen der Personen mit Migrationshintergrund. Deswegen möchte der LSB vor allem am gemeinsamen „Wir“ der Vereinsmitglieder arbeiten. Allerdings stößt auch der LSB dabei an Grenzen. Auch wenn er versucht Pauschalisierungen zu vermeiden, muss er z.B. bei der Verteilung von Fördermitteln durchaus selber wieder auf die Schuladen zurückgreifen, um Gruppen entsprechend zu bestimmen. Roy Gündel ist es aber wichtig zu betonen, dass die meisten Fragen bzw. Probleme nicht kultureller Natur sondern sozialer Natur sind.

Beispiele für erfolgreiche Integrationsprojekte

Als gute Beispiele für gelungene Integrationsarbeit wurden ein paar im Podcast besprochen. Kurzfristige Projekte wurden sicherlich 15/16 im Zuge der Flüchtlingskrise durch diverse Vereine durchgeführt. Die Turnhallen wurden damals als Notunterkünfte umfunktioniert und die Mitglieder aus den Vereinen, die nicht mehr ihrem Sport nachgehen konnten, haben dann niederschwellige Sportangebote für Flüchtlinge ins Leben gerufen. Das hat das Ankommen sicherlich für viele erleichtert.
Um langfristig erfolgreiche Integrationsarbeit im Sportverein zu leisten, sind allerdings einige Dinge zu beachten. Als Ausgangsbasis ist wichtig, dass die Vereine versuchen müssen, dass Menschen aus anderen Ländern auf Augenhöhe mitdiskutieren, entscheiden und ihre Bedürfnisse artikulieren können. Das bedeutet z.B. auch, dass man immigrierten Menschen die Möglichkeit geben sollte, sich ehrenamtlich zu engagieren.
Ein Beispiel hierfür ist das Projekt „Soccer-Referee-Coach“. Ursprung des Projektes war das Problem, dass etwa 50 geflüchtete Personen gleichzeitig auf den Fußballplätzen des Vereins spielen wollten. Das gab natürlich erwartungsgemäß Probleme in der Trainingsleitung. Die Idee war dann, auch aufgrund des personellen Bedarfs und der sprachlichen Barriere, dass Personen aus der Gruppe selbst zu Trainern ausgebildet werden sollten. Jetzt gibt es allerdings das Problem, dass die klassische Lizenzausbildung nur zu absolvieren ist, wenn du man bereits gute Sprachkenntnisse hat. Deswegen war die Lösung eine niederschwellige Qualifizierung zu ermöglichen. Diese liegt zwar inhaltlich unter den offiziellen Lizenzen, aber befähigt die jeweilige Person Gruppen entsprechend zu leiten. Am Ende wurde das Ziel, dass Geflüchtete andere Geflüchtete trainieren erreicht.

Doch es gibt beim Thema Integration auch einige Hindernisse, welche du und dein Verein beachten solltest. Dazu gehört es, dass du dir erst einmal die Frage stellst, welche Konflikte gibt es überhaupt bzw. kann es geben? Ein Punkt an dem man als eine Person, die mit dem deutschen Vereinswesen aufgewachsen ist, vielleicht gar nicht denkt, ist das Vereinswesen selber. Es gibt kaum Länder auf der Welt, welche eine vergleichbare Vereinsstruktur in Aufbau und Organisation besitzen, wie wir in Deutschland. Dies muss man aber wissen, wenn man versucht, Personen aus anderen Ländern für seinen Verein zu gewinnen. Hier muss man die Ansprache entsprechend anpassen, man muss also Wege finden diese Menschen zu erreichen. Dies geht am einfachsten, wenn man sich mit Leuten zusammensetzt, welche Profis im Bereich der Integration sind und von ihren Erfahrungen lernt. Das können z.B. Quartiersmanager, Personen aus dem Jugendzentrum oder aus Schulen sein.
Der LSB unterstützt bei der Ansprache durch Seminare, um die interkulturelle Kompetenz zu erhöhen, oder durch hauptamtliche Unterstützung der ehrenamtlichen Vereine. So kann das das Ehrenamt z.B. von den breiten Netzwerken profitieren und mit den entsprechenden Integrationsprofis aus der entsprechenden Stadt zusammengebracht werden. Diese wissen, wie man die jeweilige Zielgruppe anspricht. Im Anschluss müssen sich die Vereine nur noch entsprechend gegenüber der Zielgruppe präsentieren. Hier gibt es dann ggf. auch Bezuschussungen vom LSB.

Konflikte – meistens liegt es nur am Blickwinkel

Das Thema Integration und die Konflikte, welche dabei auftreten können, sind wahrscheinlich vielen bekannt. Doch häufig muss man sich einmal selbst hinterfragen, ob die Beweggründe, die zu dem Konflikt führen, überhaupt berechtigt sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist das „Schwimmen von Frauen in geschützten Räumen“. Vereine, die das umgesetzt haben, berichten immer wieder von Beschwerden. Doch schauen wir uns einmal an, was die Gründe dafür sind, warum Menschen dieses Angebot wahrnehmen:

  • Die Teilnehmerinnen haben ein Schamgefühl, weil sie noch nicht schwimmen können und dieses jetzt lernen wollen.
  • Die Schönheitsideale sind andere, deswegen wollen sie nur unter Frauen schwimmen.
  • Die Teilnehmerinnen haben Angst vor dem Wasser z.B. wenn sie durch eine Flucht über das Mittelmeer traumatisiert sind.
  • Es handelt sich um patriarchische Familienstrukturen mit dem entsprechenden Rollenbild der Frau.

Wenn man ehrlich ist, ist eigentlich nur der letzte Punkt wirklich konfliktreich. Hier könnte man sagen, dass die Vereine Diskriminierung unterstützen. Allerdings muss man auch ehrlich sein – was ist denn die Alternative? Deswegen wäre auch dieser Punkt aus LSB-Sicht keine Desintegration, weil man damit zumindest verhindert, dass Parallelstrukturen geschaffen werden.

Wir hatten zu Beginn des Beitrages bereits geschrieben, dass man alle Menschen die Möglichkeit geben soll, ihre Bedürfnisse und Meinungen auf Augenhöhe zu artikulieren. Nur so kann man Hierarchien abbauen. Wer aber denkt, dass mit diesem Weg keine Konflikte mehr entstehen, der täuscht sich. Denn durch die Möglichkeit der Migranten Bedürfnisse zu artikulieren, werden neue Konflikte entstehen. Das Ziel muss dann sein, solche Konflikte im Verein auch austragen zu können.

Integration umsetzen

Vereine sollten es sich leisten können, Fehler machen zu, frei nach dem Motto: „Praxis ohne Theorie ist immer noch besser als Theorie ohne Praxis.“ Gerade bei der Integrationsarbeit sollte man Dinge einfach ausprobieren. Hierfür kann es durch den LSB auch finanzielle Unterstützung geben, denn grundsätzlich hat der Vereinssport ein hohes Potential für erfolgreiche Integration. Die Migranten, welche in den Verein kommen wollen, vereint mit den bisherigen Mitgliedern ein gemeinsames Interesse zur Sportart. Zum anderen sind bei vielen Sportarten die Regeln universell, Sprachbarrieren können so überwunden werden. Das sind auf jeden Fall gute Voraussetzungen.
Allerdings muss auch den Vereinen die Grenzen bewusst sein – jeder kann seinen Beitrag leisten, aber am Ende sind nicht die Vereine dafür verantwortlich die gesellschaftlichen Missstände zu lösen. Der Fokus muss auf Mitgliederentwicklung, ehrenamtliches Engagement und Positionierung gelegt werden.

Wenn dein Verein plant das Thema Integration mehr bei sich in den Fokus zu nehmen oder damit erstmalig beginnen will, möchten wir Dir diese sechs Tipps mit an die Hand geben:

  1. Einfach anfangen, aber nicht gleich die ganze Welt retten wollen. Der Weg entsteht oft beim Gehen.
  2. Klärt das Selbstverständnis im Verein – Warum wollen wir uns dem Thema widmen? Was ist unsere Motivation? Was sind unsere Ziele? Was ist unser Rahmen?
  3. Hinterfrage die eigenen Strukturen – Gibt es bei uns im Verein unsichtbare Hemmschwellen, Angebote oder Strukturen, die Menschen ausschließen? Es kann also z.B. sein, dass die Angebotspalette einfach nicht ausreichend ist für Migranten (z.B. in Deutschland eher unpopulärere Sportarten wie Ringen oder Cricket sind in anderen Ländern sehr beliebt).
  4. Wir sollten Kompetenzen bündeln und erweitern. Das bedeutet, arbeite mit Profis zusammen, um deine Ansprachewege zu überprüfen und zu verbessern. Es gibt immer Menschen, die sich ehrenamtlich und hauptamtlich mit Integrationsarbeit beschäftigen. So eignet man sich langfristig (neben Fortbildungen) Know-How an.
  5. Versuche immer die Kommunikation auf Augenhöhe zu führen. Ein häufiger Fehler ist, dass man denkt, man weiß was andere Menschen brauchen. Mit diesem Ansatz scheitern aber häufig gut gemeinte Projekte. Deswegen immer mit den Menschen die reale Bedarfslage abklären.
  6. Gelassen bleiben! Das Thema Integration wird häufig emotional geführt, mit eigener Meinung aber auch eigener politischer Haltung. Das gehört zu einer diversen Gesellschaft dazu. Aber auch wenn es Dissens gibt, sollte man einfach gelassen bleiben.

Fördermittel im Bereich Integration

Die Fördermittel unterscheiden sich zwischen den einzelnen Landessportbünden nur geringfügig. Wir zeigen euch hier die Möglichkeiten beim LSB Niedersachsen auf. Grundsätzlich hängt die entsprechende Förderung stark von der Idee des Vereins ab und der LSB reagiert darauf mit einer möglichst breiten Palette. Etwas klassisches ist die Initiierung eines neuen Sportangebotes bzw. einer neuen Sportart Im Verein. Dies kann aber auch als Schul-AG oder in Zusammenarbeit mit einem Jugendclub erfolgen. Hier kannst du einfach einen Antrag für eine pauschale Starthilfe stellen. Diese 1.000 Euro für die ersten 12 Monate gibt es recht unbürokratisch.
Genauso fördert der LSB aber auch Veranstaltungen in diesem Bereich oder wie oben schon beschrieben auch die Kompetenzförderung von Geflüchteten, welche z.B. Übungsleiter werden wollen. Anteilsfinanzierungen kann es darüber hinaus auch bei umfangreicheren Projekten geben. Grundsätzlich empfiehlt der LSB, dass man, bevor man etwas startet, gemeinsam draufschauen sollte, zum einem um die ideale Förderung zu finden, zum anderen um auch die Netzwerke zur Verfügung stellen zu können. Und keine Sorge nicht jeder Verein muss Integration zu seiner neuen Kernkompetenz ernennen. Hier gibt es bisher auch nur eine überschaubare Anzahl in Niedersachsen, welche als Stützpunktvereine im Programm „Integration durch Sport“ aufgehangen sind.

Bei weiteren Fragen zum Thema Integration wendest du dich am besten an den Ansprechpartner beim jeweiligen LSB. Dieser kann dich auch gerne an weitere Experten vermitteln. Wenn du uns gerne von deinen Erfahrungen beim Thema Integration oder von eurem Vereinsprojekt erzählen möchtest, sende uns gerne eine E-Mail an info@vereinsstrategen.de. Es wird zu dem Thema noch zwei weitere Folgen bzw. Beiträge geben. Wir hoffen du konntest aus diesem Beitrag viel mitnehmen und würden uns freuen, wenn du unseren Podcast abonnierst

Deine Vereinsstrategen
(Martin Schüttler)