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Großsportvereine – Alles, was du wissen musst

Großsportvereine – Alles, was du wissen musst

Vereinsentwicklung

Gemeinschaft oder Dienstleister?

 

Die wenigsten Sportvereine in Deutschland sind ein Großsportverein. Trotzdem fallen sie dir wahrscheinlich auch immer wieder auf, weil in der Presse von einem neuen Projekt über den Verein berichtet wird oder du Personen kennst, die in diesem Verein Mitglied sind. Wir wollen uns deshalb mal den Besonderheiten dieser Vereine widmen und unter anderem der Frage nachgehen, ob es erstrebenswert ist, selbst ein Großsportverein zu werden. Der Blogbeitrag stellt dabei eine Zusammenfassung der Podcastfolge dar. Hört also gerne auch in die Episode rein.

 

Diverse Vereinslandschaft

Einen Verein in die Vereinslandschaft einzuordnen führt je nach Blickwinkel zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Man kann eine Einteilung nach dem Zweck bzw. der Ausrichtung vornehmen. Ein Sportverein verfolgt dabei Breiten-, Freizeit- und/oder Leistungssport. Es gibt aber auch Vereine, die kümmern sich beispielsweise um das Brauchtum oder sind soziale Hilfsverbände. So kommt es, dass der Verein „Sportspaß Hamburg“ als größter Sportverein außerhalb der Profifußballvereine vor der Coronapandemie etwa 60.000 Mitglieder hatte, aber das deutsche rote Kreuz ca. 2,7 Millionen Mitglieder vorweisen kann.
Wenn wir uns einmal den durchschnittlichen Sportverein anschauen, stellen wir fest, dass dieser 267 Mitglieder laut dem letzten Sportentwicklungsbericht von 2018 hat. Allerdings gibt es auch knapp 90.000 Sportvereine in Deutschland. Dabei ist natürlich auch klar, dass aber selbst ein Verein mit identischer Größe und den gleichen Sportarten trotzdem anders sein wird. Gerade Vereine sind aufgrund der Interessen der Mitglieder und handelnden Personen schlussendlich immer einzigartige Gebilde.
Wenn wir uns jetzt noch einmal den Zahlen zuwenden, stellen wir fest, dass 46% von allen Sportvereinen weniger als 100 Mitglieder haben, 4% haben mehr als 1.000 Mitglieder und nur 0,6% hatten mehr als 2.500 Mitglieder, was etwa 5.400 Sportvereinen entspricht. Wahrscheinlich ist die Anzahl während der Pandemie etwas gesunken. Aber auch so stellt man fest, dass Großsportvereine einen geringen Anteil der Gesamtvereine in Deutschland umfassen. Nimmt man allerdings alle Mitglieder von allen Sportvereinen und verteilt sie auf die verschiedenen Größenklassen, ergibt sich ein anderes Bild. 20% sind in größeren Vereinen ab 1001 Mitgliedern, 40% in Vereinen in der Größenklasse zwischen 301 und 1000 Mitgliedern.

 

Der Großsportverein

Jeder hat wahrscheinlich ein anderes Bild, was für ihn ein Großsportverein ist. Wo sich alle Personen schnell einig werden, ist die Tatsache, dass es sich eigentlich immer um Mehrspartenvereine handelt, welche ihren Mitgliedern sehr viele Angebote machen können. Wenn man aber ehrlich ist, kann man es auch nicht eindeutig sagen, wann ein Großsportverein eindeutig als solcher gewertet wird, weil es dazu unterschiedliche Ansichten je nach Institution gibt. Wir als Vereinsstrategen persönlich sprechen ab 2.000 Mitgliedern von einen Großsportverein. Eine wissenschaftliche Einordnung durch Nagel und Breuer kommt zu einem ähnlichen Ergebnis:

  • Alles bis zu 300 Mitgliedern ist ein kleiner Sportverein
  • Zwischen 301 und 800 Mitglieder sprechen wir vom mittelgroßen Sportverein
  • Zwischen 801 und 2.000 Mitglieder ist es ein großer Sportverein
  • Und ab 2.001 Mitgliedern sprechen wir von einem Großsportverein

Manche Sportbünde sprechen aber bereits ab 1.000 Mitglieder von einem Großsportverein, der Freiburger Kreis zum Beispiel erst ab 3.000 Mitgliedern.
Ein weiteres Kriterium, woran man einen Großsportverein messen kann, ist sicherlich auch das jährliche Haushaltsvolumen. Hier geht es aus unserer Sicht ab einer Million Euro los, kann aber ja nach Verein auch deutlich mehr sein. Wenn wir das mit dem Durchschnittsverein mit den 267 Mitgliedern einmal vergleichen, sieht man den großen Unterscheid. Nehmen wir an jedes Mitglied zahlt 7 Euro im Monat als Mitgliedsbeitrag, dann haben wir 22.500 Euro Jahresumsatz aus Mitgliedsbeiträgen, was meist auch 80 bis 90% des Gesamtumsatzes darstellt. Im Podcast haben wir darüber hinaus noch ein paar Experten gefragt, was ihrer Meinung nach einen Großsportverein aus macht. Höre also gerne rein.

 

Hat „Groß“ sein wirklich nur Vorteile?

Auch wenn „Groß“ sein im ersten Moment sehr attraktiv wirkt, wollen wir einmal detaillierter abwägen, wo die Vor- und wo die Nachteile liegen. Denn wo viel Licht ist, gibt es immer auch mindestens einen Schatten.

Vorteile:

  • Durch den Größeneffekt hat man als Verein einen Sonderstatus bei der Politik und wird als wichtiger angesehen. Dadurch können solche Vereine die Sportpolitik in der Region beeinflussen.
  • Mehr Sparten im Verein bieten eine gewisse Flexibilität. Wenn eine Sportart Mitglieder verliert, kann dies durch andere Abteilungen aufgefangen werden.
  • Der Bau und die Unterhaltung eigener Sportstätten ist möglich. Dies macht euch unabhängig von kommunalen Sportstätten und gibt den Vereinen in der Belegung dieser Stätten diverse Möglichkeiten.
  • Das Budget für die Hauptamtlichkeit ist verfügbar. Dies betrifft sowohl die administrative Ebene, wie auch hauptamtliche Stellen im sportlichen Bereich. Dies gibt neue Möglichkeiten in der Strategieentwicklung und bei der Trainingsqualität (z.B. Mitglieder-, Ehrenamtsgewinnung, aber auch andere Themen, die bisher liegen geblieben sind).

Nachteile:

  •  Die Größe des Vereins wird dazu führen, dass sich in den Abteilungen ein gewisses Eigenleben entwickeln wird. Die Schwierigkeit ist es, zum einem am Ende als Führungskraft allen Interessen gerecht zu werden. Daneben entsteht noch das Problem, dass eine gemeinschaftliche Vereinskommunikation schwierig wird. Viele Abteilungen haben noch einmal einen eigenen Social-Media-Kanal oder einen eigenen Newsletter, außerhalb der Kontrolle des Gesamtvereins.
  • Mit zunehmender Größe wird ein Verein unpersönlich. In der Abteilung kennt man im Normalfall noch die meisten Personen, aber das war es dann auch meist. Durch diese fehlende Nähe ist die Bindung der Mitglieder zum Verein deutlich geringer, was wiederrum zu schnelleren Austritten führt, wie man während der Coronapandemie gesehen hat. Der Verein wird in Summe mehr als Dienstleister gesehen und nicht als Gemeinschaft.
  • Der Verwaltungsaufwand eines Großsportvereins ist gigantisch.
  • Das Finden von Ehrenamtlern wird mit zunehmender Größe schwieriger. Die Verantwortung z.B. als Abteilungsleiter ist deutlich höher als bei einem kleinen Verein, wo eine Abteilung nicht aus einigen hundert Mitgliedern besteht. Die Großsportvereine lösen das inzwischen zunehmend so, dass Ehrenamtler als eine Art Aufsichtsrat fungieren und die Arbeit der Hauptamtler kontrollieren.

Schlussendlich kann man sagen, dass Großsportvereine vielleicht gewisse Probleme von kleineren Vereinen nicht haben, allerdings ganz neue Probleme lösen müssen, von denen die anderen befreit sind. Umso größer die Vereine sind, umso mehr werden sie auch wie ein mittelständische Unternehmen geführt und die Entscheidungen entsprechend getroffen. Daraus leitet sich auch ein anderes Selbstverständnis dieser Vereine ab.

 

Das Selbstverständnis von Großsportvereinen

Die Größe erfordert ein anderes Herangehen an Sachverhalte als bei kleineren Vereinen. Man muss mehr proaktiv Agieren als Reagieren und somit auch mehr Gestalten als einen Ist-Zustand zu verwalten. Das hat zum Ergebnis, dass Großsportvereine eine Zielgruppe von Jung bis Alt ansprechen wollen und dementsprechend auch aktiv neue Angebote für alle Zielgruppen im Verein implementieren. Dieses Selbstverständnis zeigt sich aber auch in der schnelleren und guten Umsetzung von neuen Regeln und Standards. Ich denke hier beispielsweise an die Erstellung von Coronakonzepten oder Anpassungen beim Datenschutz. Daneben greifen solche Vereine auch gesellschaftliche Themen wie Inklusion oder Integration auf und führen hierzu Projekte durch. Kleine Vereine haben hierfür einfach nicht die Kapazitäten.
Man spricht dann auch gerne von professionellen Strukturen, die so etwas ermöglichen. Damit geht natürlich auch eine gewisse Erwartungshaltung einher. Mitglieder haben den Anspruch, das Anfragen schnell erledigt werden oder es regelmäßige Sprechzeiten gibt. Sie haben auch eine Erwartungshaltung gegenüber dem sportlichen Angebot. Übungsleiter sollten auch Vormittagsstunden abdecken können oder sich im Ganztagsunterricht oder im Kindergarten engagieren. Wenn es um den Leistungssport geht, sollte es auch einen hauptamtlichen sportlichen Leiter geben. Zusammenfassend kann man sagen, sie wünschen sich Know-How in Schlüsselpositionen und eine gewisse Verlässlichkeit. Der Dienstleistungsgedanke ist also sicherlich vorhanden.
Die Einbindung von ehrenamtlichen Strukturen in einen Großsportverein ist durchaus herausfordernd, weil wir die Situation haben, dass Haupt- und Ehrenamt zusammenarbeiten. In einer idealen Welt könnte die gewählte ehrenamtliche Vereinsführung passiver im Tagesgeschäft werden, Aufgaben delegieren und sich gleichzeitig auf die Repräsentation und strategische Themen fokussieren. In der Realität ist aber meist so, dass das Hauptamt die Strategie entwickelt und sich das Ehrenamt immer wieder unnötigerweise ins Tagesgeschäft einschaltet. Hier muss man als Verein die richtige Balance finden, damit man gemeinsam erfolgreich mehr erreichen kann. Was jeder Verein darüber hinaus benötigt, sind ehrenamtliche Übungsleiter. In einem Großsportverein sollten diese in ausreichender Zahl vorhanden sein und die entsprechenden Lizenzen besitzen bzw. entsprechende Fortbildungen besucht haben.
Spitzensportler und Großsportvereine – das gehört meist auch zusammen. Großsportvereine haben natürlich das Ziel die bestmöglichen Rahmenbedingungen für die Sportler zu schaffen. Mit sehr gut qualifizierten Trainer und guten Sportanlagen schafft man es am Ende auch, eine starke Trainingsgruppen in den verschiedenen Altersbereichen zur Verfügung zu stellen, welche dann auch in den Leistungssport münden können. In der Spitze trainieren dann ggf. Olympiaathleten im Verein und geben dem Verein damit noch einmal eine ganz andere Außenwirkung.
Häufig mündet der Spitzensport, aber auch in der Forderung nach dem Betreiben und dem Bau von eigenen Sportstätten. Wenn die Ansprüche an die Sportstätten steigen und immer mehr Platz gebraucht wird, dann wird es natürlich schwer mit den klassischen Schulsporthallen oder kommunalen Sportplätzen auszukommen. Eigene Sportanlagen machen die Vereine insgesamt auch unabhängiger z.B. gegenüber Hallenschließungen in den Sommerferien, Belegung durch andere Vereine oder dem Schulsport. Die hauptamtlichen Strukturen erleichtern es dabei, sich um Förderanträge zu kümmern und seine eigene Lobby bei der Kommune zu stärken. Dadurch, dass diese Projekte meistens eine Leuchtturmwirkung haben, wird die Lokalpolitik das Ansinnen meist unterstützen.
Durch diesen Einfluss auf die Politik haben Großsportvereine darüber hinaus auch die Möglichkeit in der Quartiersentwicklung mitzuwirken. Die Politik und die Städteplaner sind dankbar für gute Vorschläge. Das kann sich darauf beziehen, wo der Sanierungsbedarf bei einer eigenen aber auch kommunalen Anlage besonders hoch ist oder wo Outdooranlagen in Parks Sinn machen könnten. Gleichzeitig können sich die Vereine aber auch in die gesellschaftliche Quartiersentwicklung außerhalb des normalen Sports einbringen, sei es z.B. Hausaufgabenbetreuung, Sport im Ganztag oder einer Kita. Vielleicht ist sogar der Bau einer eigenen Kita mit Bewegungsschwerpunkt ein denkbarer Weg.

 

Herausforderungen dieser Vereine

Auf das Thema Ehrenamtliche sind wir bereits eingegangen, aber sicherlich bleibt es eine der größten Herausforderungen. Neben dem Finden von geeigneten und gewillten Personen stellt vor allem das parallele Managen dieser Personen (neben den hauptamtlichen Strukturen) Vereine immer wieder vor Probleme. Wenn in einem Vereine an einer wichtigen ehrenamtlichen Position keine oder eine ungeeignete Person sitzt, führt dies mittelfristig zu Konflikten. Aber auch der Verzicht von Ehrenamt ist keine Option. Neben der fehlenden Akzeptanz im Verein ist das auch aus finanziellen Gesichtspunkten nicht machbar.
So schön eigene Sportstätten auch sind, sie sind sehr teuer. Neben dem Bau ist es aber vor allem die Erhaltung, welche den Verein langfristig finanziell belastet. Dies muss aus den unterschiedlichen Vereinseinnahmen in Form einer Mischkalkulation finanziert werden. Der wesentliche Bestandteil sind allerdings weiterhin Mitgliedsbeiträge, welche sich wiederum in der Höhe kaum von den kleinen Vereinen unterscheiden. Im Vergleich bekommen die kleineren Vereine Hallenzeiten von der Kommune umsonst oder gegen eine geringe Miete. Der Großsportverein dagegen baut die Anlage auf eigene Kosten und bekommt ggf. einen Zuschuss von der Stadt oder der Kommune, welcher aber im Verhältnis zu den Gesamtkosten sehr überschaubar ist. Das ist ein gewaltiger Unterschied – finanziell wie auch vom eingegangen Risiko. Das Hauptproblem liegt daran begründet, dass das Sportsystem zur Förderung der Vereine auf dem Durchschnitt angelegt ist und nicht auf Großsportvereine.
Auch die enge Verzahnung zur Politik kann eine Herausforderung werden. Diese Rolle fördert schließlich auch eine gewisse Erwartungshaltung, immer ein Vorreiter sein zu müssen. Gut ist dann nicht mehr gut genug und es braucht immer noch eine Steigerung. Nach einem erfolgreichen Projekt muss gleich das nächste am besten noch größere Projekt folgen. Denn diese Projekte nutzen Politiker natürlich gerne, um sich entsprechend präsentieren zu können. Hier muss man aufpassen, dass man die „All-Parteilichkeit“ wahrt und sich nicht instrumentalisieren lässt.
Solche Projekte können sich dabei auch auf sehr spezifische Themen außerhalb des Sports beziehen, mit welchen sich Großsportvereine auseinandersetzen müssen. Ich denke an Bereiche wie Inklusion oder Prävention von sexueller Gewalt. Hier wird kaum ein Verein einen Experten bei sich im Verein sitzen haben. Diese Projekte sind allerdings gesellschaftlich wichtig. Hier muss man erst einmal einen Ansprechpartner finden – meist entweder beim LSB oder einem sportfremden Interessensverband. Ein Ansprechpartner direkt vor Ort einer anderen Instituation außerhalb der Ballungszentren fehlt aber meist.

 

Fazit

Sollten kleinere Vereine jetzt neidisch auf die eigene Sportanlage, das Geld, die professionellen Strukturen werden? Wir denken nein, weil sie nicht bevorzugt werden und viele Angebote und Projekte in diesen Vereinen einfach aufgrund der Integration hauptamtlicher Stellen möglich sind. Deswegen können wir auch an dieser Stelle gleich die Frage verneinen, ob jeder Verein jetzt danach streben sollte zu wachsen. Wir haben festgestellt, dass Vereine viel vom persönlichen Austausch und dem aktiven Mitgestalten partizipieren. Das geht bei größeren Vereinen zunehmend verloren. Auch die deutlich geringere Bürokratie und die größere Flexibilität sind Argumente für kleinere Vereine. Wenn der Bedarf nach einem größeren Verein in deiner Region da ist, weil viele Personen nach einem Sportangebot suchen, kannst du deinen Verein in diese Lücke hineinentwickeln, aber du solltest es nicht erzwingen. Man sollte einen Verteilungswettkampf bei einem gesättigten Markt schließlich vermeiden und die Ressourcen für wichtigere Sachen verwenden.
Gleichzeitig gibt es aber auch immer mehr Vereine die fusionieren, weil sie Probleme haben, sich eigenständig zu finanzieren oder strukturelle Probleme bei der Mitgliedergewinnung haben. Eine Form, die mittlerweile in fast jeder Liga mit Spielbetrieb angekommen ist, ist die Spielgemeinschaft als „Fusion light“. Hier bleiben meist die Kernvereine eigenständig und sie verschmelzen nur ihren Spielbetrieb – bilden also eine GbR.
Durch Fusionen können aber auch neue Großsportvereine entstehen oder große Vereine nehmen kleine mit auf. Auch das bringt neue Herausforderungen mit sich, da durch Fusionen auch immer ein Stück weit Identität eines Vereins verloren geht. Darauf wollen wir aber an dieser Stelle nicht eingehen.

Wir hoffen, du konntest aus diesem Beitrag viel mitnehmen und kennst jetzt alle wesentlichen Sachverhalte über Großsportvereine. Falls noch Fragen offen sind oder du Themenanregungen hast, kannst du uns gerne unter info@vereinsstrategen.de schreiben. Wenn du uns einen Gefallen tun möchtest, dann empfehle gerne den Blog und Podcast an deine Freunde und Vereinsmitglieder weiter.

Deine Vereinsstrategen
(Martin Schüttler)

Positionierung im Verein – Stich aus der Masse heraus

Positionierung im Verein – Stich aus der Masse heraus

Vereinsentwicklung

Ohne Positionierung wird es zukünftig schwierig

 

Wofür steht eigentlich dein Verein? Die Antwort auf diese Frage beantwortet dir grob deine persönliche Positionierung deines Verein. So könnte die Antwort z.B. lauten: „Für meine Nachwuchsarbeit oder die Integrationsarbeit, für das breiteste Angebot in der Region Hamburg, für eine bestimmte Sportart“ Doch ganz so einfach ist die Analyse leider nicht. Dieser Beitrag soll dir dabei helfen deine aktuelle Positionierung zu ermitteln, eine neue Positionierung zu entwickeln und diese dann stetig zu kontrollieren und anzupassen. Aber zuerst stellt sich natürlich die Frage, wieso brauche ich als Verein eine Positionierung?

Positionierung in der heutigen Zeit

Im letzten Jahrzehnt gab es durch die Digitalisierung einen gigantischen Entwicklungssprung – die Wirtschaft ist noch schnelllebiger geworden und der Konkurrenzkampf wird immer härter. Um dort bestehen zu können, ist es wichtig, dass ein Unternehmen eindeutig positioniert ist. Das trifft auch immer mehr auf den Sportbereich und Vereine zu. Kommerzielle Anbieter, wie z.B. McFit und Peleton werben immer mehr um eine Zielgruppe, welche früher nur die Möglichkeit hatte in den Sportverein zu gehen, um Sport betreiben zu können. Die kommerziellen Anbieter schaffen es vor allem durch eine gute Positionierung uns ein Angebot zu verkaufen, was man im Sportverein zum gleichen Preis oder deutlich günstiger erhalten könnte. So kann die Positionierung von Peleton wohl am besten zusammengefasst werden mit: „Innovatives, digitales Gruppentraining mit echtem Coach von zu Hause aus zu jeder Uhrzeit“. Jetzt ist natürlich klar, dass dein Verein nicht zum neuen Peleton umgebaut werden soll, aber du konkurrierst nicht nur mit gewerblichen Anbietern sondern auch mit anderen Vereinen. Und wenn man auf eine noch höhere Ebene geht, konkurrierst du auch mit Streamingdienstanbietern oder sozialen Medien um die Zeit von Leuten. Du siehst also, dass der Wettbewerb dich förmlich dazu zwingt, dich mit Positionierung auseinanderzusetzen. Aber wie startest du jetzt? Das gleiche machen, wie die Konkurrenz, wo es gut funktioniert? Nein! Eine Kopie eine Positionierung macht einen Verein austauschbar und zu nichts besonderem mehr. Die Lösung sind die nächsten sechs Fragen, die du dir stellen musst.

Welche Positionierung habe ich jetzt?

In der Einleitung wurde diese Frage schon so ähnlich gestellt. Jetzt ist eine Positionierung aber nicht deine persönliche Meinung, sondern ggf. auch ganz unterschiedlich je nach Zielgruppe. Deswegen müsst ihr im Verein die Frage „Welche Positionierung habe ich jetzt?“ genau an diese richten. Dabei sind mit der Zielgruppe nicht nur eure Mitglieder gemeint, sondern auch andere Personen aus eurem Vereinsumfeld – Sponsoren, Zuschauer, Eltern, Personen in anderen Vereinen, Nichtmitglieder, etc. Die Auswahl der Zielgruppe ist aber euch überlassen, aber umso verschiedenere Personengruppen ihr befragt, umso mehr seht ihr auch, wie der Verein nach außen wirkt, anstatt nur eure innere Wahrnehmung zu ermitteln.
Nach der Befragung könnt ihr drei möglich Ergebnisse haben:

  • Es gibt ein klares Ergebnis. Bei der Befragung der verschiedenen Zielgruppen haben alle Personen deckungsgleiche Antworten gegeben. Damit steht fest, ihr habt eine klare Positionierung im Verein, die von allen auch so verstanden wird und auch außen so wahrgenommen wird. Die Frage ist dann nur noch – ist das auch die Positionierung, die wir uns im Verein vorstellen?
  • Es gibt unterschiedliche Ergebnisse bzgl. der Positionierung zwischen den verschieden Zielgruppen. Der Vorstand findet man hat die beste Fußballausbildung der Region. Die Eltern finden, dass der Verein für die strengsten und härtesten Übungsleiter im Jugendfußball der Region steht. Und der neutrale Zuschauer bei den Jugendspielen findet, dass ihr der Verein sehr freundlichen Stadionkioskmitarbeitern seid und sehr leckeres Essen anbietet. Offensichtlich habt ihr diverse Positionierungen, welche aber nicht so eindeutig sind, ggf. wird bei einigen Zielgruppen eure Positionierung sogar negativ wahrgenommen. Hier ist auf jeden Fall Handlungsbedarf gegeben.
  • Allen Zielgruppen fällt gar nichts zu eurem Verein ein oder sehr unterschiedliche Sachen innerhalb der jeweiligen Gruppen. Das bedeutet es gibt bei euch im Verein keine Positionierung.

Welche Position willst du einnehmen?

Wenn die Antworten so sind, wie erwartet, und ihr damit zufrieden seid, dann müsst ihr nichts ändern. Wenn aber andere Antworten gekommen sind, als gedacht, dann habt ihr zwei Möglichkeiten. Entweder ihr versucht eure geplante bzw. angestrebte Positionierung durchzusetzen (z.B. beste Fußballausbildung in der Region) oder ihr entscheidet euch, das vorhandene vielleicht auch überraschende Ergebnis aus der Umfrage zu nutzen und versucht diese Positionierung zu stärken und auszubauen (z.B. freundlichster Stadionkiosk, Ziel Umbau zum serviceorientiertesten Verein der Region). Der zweite Weg ist in der reinen Umsetzung auf jeden Fall der leichtere als der erstgenannte, weil ihr auf etwas, was besteht, bereits aufbauen könnt. Außerdem möchten wir dir zwei Tipps mitgeben. Besser in etwas zu sein, ist deutlich schwerer, als anders in etwas zu sein. So kann nicht jeder Meister in seiner Liga werden, sondern nur einer. Der Versuch Meister zu werden gegen viele andere Vereine, verbraucht sehr viele Ressourcen. Wenn man anderes ist, dann ist der Verein auf eine ganz bestimmte Zielgruppe ausgerichtet und nicht auf jede Person. Der FC St. Pauli ist hierfür ein gutes Beispiel, da er ein ganz bestimmtes Zielpublikum anspricht. Wenn ihr euch am Ende für eine Positionierung entschieden habt, verankert sie im Leitbild oder in der Satzung des Vereins. So wird sie verbindlich.

Wer ist deine Konkurrenz?

Hier gibt es eine entscheidende Aussagen, die du mitnehmen solltest – suche nicht die Konfrontation mit anderen, sondern gehe um sie herum. Wenn mehre Vereine in der Region das gleiche Ziel anstreben, frisst das jedem Verein viele Ressourcen und ihr kommt eurem Ziel nicht näher. Angenommen drei Vereine haben sich in Richtung Nachwuchssports im Fußball in einer Region positioniert, dann kämpfen diese drei um die besten Talente. Die Sichtung der Spieler wird immer weiter verbessert und die Trainer immer mehr geschult. Am Ende werden in jedem Verein einige wenige sehr gute Spieler sein, aber der Mannschaftserfolg ist nur durchschnittlich und die Eltern würden sagen, die drei Vereine sind praktisch identisch. Niemand würde deine angestrebte Positionierung kennen. Wenn du allerdings für die Spieler u.a. einen Abhol- und Bringdienst anbietest, werden die Eltern sagen, dass du ein sehr serviceorientierter Verein bist. Über diesen Weg wirst du eher neue Nachwuchskicker finden. Deine Positionierung ist jetzt zwar eine andere, dein Mannschaftserfolg ist aber mindestens auf dem gleichen Niveau wie vorher, wahrscheinlich aber sogar höher. Ein reales Beispiel für eine sehr gute Positionierung findest du auch in diesem Beitrag.

Verfügst du über genügend Kapital?

Manche Positionierungen erfordern große Veränderungen im Verein und diese können viel Geld kosten. Wenn ihr euch beispielsweise entscheidet ein digitalisierter Verein zu werden, dann habt ihr zwei Fragen zu beantworten: Welche Grundlage gibt es schon im Verein und wie weit (und teuer) ist der Weg zum Ziel? Denn so eine Art der Positionierung erfordert Server, Laptops, Softwarelizenzen, Betreuungspersonal oder auch die Entwicklung einer Vereinsapp. Hier müsst ihr ehrlich zu euch selber sein, ob ihr das finanzieren könnt oder nicht. Das gleiche gilt natürlich auch für Marketingaktionen. Wenn ihr eine neue Positionierung nach außen tragt, überlegt euch genau, welche Kanäle kann ich mir leisten, gibt es ggf. auch günstigere Alternativen. Die Kosten sind besonders dann relevant, wenn ihr die Positionierung komplett ändern wollt, weil dann mehr Maßnahmen nötig sind. Denkt daran, dass Kreativität euch hier meist weiter bringt als ein großes Budget zum Werben.

Kannst du dir erlauben, an deiner Positionierung festzuhalten?

Das Rad der Zeit dreht sich weiter und Positionierungen können sich dadurch in ihrer Wahrnehmung ändern. Früher wurde z.B. anders mit rassistischen Äußerungen von Personen in Fußballstadien oder auch von Amtsträgern umgegangen – meist wurden sie von Vereinen ignoriert. Heute gibt es auf jeden Fall Diskussionen über das Thema, Stadionverbote oder auch Entlassungen von Amtsträgern. Ein Verein, der sich nicht zum Kampf gegen Rassismus bekennen würde, hätte eine (berechtigt) sehr schlechte Positionierung. Ein weiteres Thema, was mit der Zeit an Bedeutung gewonnen hat, ist die Nachhaltigkeit im Sport und von Vereinen im Speziellen. Auch das Interesse an Sportarten ändert sich im Laufe der Zeit. Seid ihr ein Verein, der seine Positionierung bisher als bester Kegelverein in Süddeutschland hatte, bringt euch das wahrscheinlich nichts mehr, wenn keine jüngeren Leute mehr nachkommen, weil der Sport für sie völlig uninteressant ist.
Um zu erkennen, ob das Festhalten an der Positionierung Sinn macht oder nicht, würden wir vorschlagen, dass ihr euch überlegt: „Wie sieht mein Verein in 2 bis 5 Jahren aus, wenn es so weitergeht, wie bisher?“. Gefällt euch diese Vorstellung als Verein oder seht ihr, dass Probleme sich verschlimmern?

Passt deine Positionierung zu dir?

Diese Frage umfasst einen Teil der vorherigen Fragen und Erkenntnisse. Im Kern geht es darum, in regelmäßigen Abständen sich selbst zu hinterfragen. So kannst du dich fragen, ob deine Positionierung noch aktuell ist, aber auch analysieren, was deine Zielgruppen in der Befragung zur Vereinspositionierung gesagt haben. Genauso umfasst es aber auch die Frage: „Was wollen eigentlich deine Ehrenamtler?“. Wenn du eine neu entwickelte Positionierung im Verein hast, die nicht zu den Werten der meisten Ehrenamtler passt, dann wird diese Positionierung nicht erfolgreich sein. Der Grund ist einfach. Wenn die Personen nicht hinter den Werten stehen, werden sie diese auch nicht nach außen tragen, was am Ende bedeutet, dass die Positionierung nicht gelebt wird und damit auch nicht sichtbar für Dritte ist. Das beste Konzept ist zum Scheitern verurteilt, wenn es in der Realität nicht gelebt wird.

Eine Positionierung zu finden und umzusetzen braucht viel Zeit und ist ein sehr umfangreiches Projekt. Wir würden euch empfehlen, dass ihr eine Projektgruppe aus dem Ehrenamt heraus gründet, die dieses Thema erst einmal bespricht und einen groben Ist-Zustand bestimmt ggf. auch schon einmal Ideen entwickelt, was als Positionierung sinnvoll wäre. Hier bieten sich in regelmäßigen Abständen auch Workshops an. Aus dieser Gruppe sollte dann der Fragebogen entwickelt werden. Hier ist wichtig, schult eure Ehrenamtler entsprechend in Fragebogenerstellung. Auch in diesem Bereich kann man schließlich einiges falsch machen.
Als Vorstand habt ihr in diesem Prozess die Aufgabe der Projektgruppe mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, ihnen aber nicht reinzureden. Ihr solltet aber darauf achten, dass häufige Fehler vermieden werden:

  • Eine neue Positionierung wird in der Projektgruppe entwickelt, welche aber an der Zielgruppe vorbei geht, weil es keine Befragung gab, sondern dies nach Gefühl entschieden wurde. Da ist das Scheiter schon vorprogrammiert.
  • Ihr wollt zu schnell zu viel. Positionierung ist ein Prozess der Jahre dauern wird. Schließlich muss sich die Positionierung auch erst mal erlebbar werden und sich in der Region rumsprechen. Schnelle Ergebnisse werdet ihr bei dieser Art von Projekt eher nicht sehen.

Im Podcast diskutieren wir gegen Ende noch einige Themen, welche als Positionierung im Verein möglich sind. Wenn du mehr hierzu erfahren möchtest, höre gern rein. Wir hoffen allerdings, dass wir dir auch mit dieser Zusammenfassung der Episode bei deiner Vereinsweiterentwicklung helfen konnten. Wenn du Fragen haben solltest, kannst du uns gern unter info@vereinsstrategen.de erreichen. Und wenn dir der Beitrag bzw. der Podcast gefallen hat, dann tue uns bitte den Gefallen und empfehle uns weiter.

Deine Vereinsstrategen
(Martin Schüttler)