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Großsportvereine – Alles, was du wissen musst

Großsportvereine – Alles, was du wissen musst

Vereinsentwicklung

Gemeinschaft oder Dienstleister?

 

Die wenigsten Sportvereine in Deutschland sind ein Großsportverein. Trotzdem fallen sie dir wahrscheinlich auch immer wieder auf, weil in der Presse von einem neuen Projekt über den Verein berichtet wird oder du Personen kennst, die in diesem Verein Mitglied sind. Wir wollen uns deshalb mal den Besonderheiten dieser Vereine widmen und unter anderem der Frage nachgehen, ob es erstrebenswert ist, selbst ein Großsportverein zu werden. Der Blogbeitrag stellt dabei eine Zusammenfassung der Podcastfolge dar. Hört also gerne auch in die Episode rein.

 

Diverse Vereinslandschaft

Einen Verein in die Vereinslandschaft einzuordnen führt je nach Blickwinkel zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Man kann eine Einteilung nach dem Zweck bzw. der Ausrichtung vornehmen. Ein Sportverein verfolgt dabei Breiten-, Freizeit- und/oder Leistungssport. Es gibt aber auch Vereine, die kümmern sich beispielsweise um das Brauchtum oder sind soziale Hilfsverbände. So kommt es, dass der Verein „Sportspaß Hamburg“ als größter Sportverein außerhalb der Profifußballvereine vor der Coronapandemie etwa 60.000 Mitglieder hatte, aber das deutsche rote Kreuz ca. 2,7 Millionen Mitglieder vorweisen kann.
Wenn wir uns einmal den durchschnittlichen Sportverein anschauen, stellen wir fest, dass dieser 267 Mitglieder laut dem letzten Sportentwicklungsbericht von 2018 hat. Allerdings gibt es auch knapp 90.000 Sportvereine in Deutschland. Dabei ist natürlich auch klar, dass aber selbst ein Verein mit identischer Größe und den gleichen Sportarten trotzdem anders sein wird. Gerade Vereine sind aufgrund der Interessen der Mitglieder und handelnden Personen schlussendlich immer einzigartige Gebilde.
Wenn wir uns jetzt noch einmal den Zahlen zuwenden, stellen wir fest, dass 46% von allen Sportvereinen weniger als 100 Mitglieder haben, 4% haben mehr als 1.000 Mitglieder und nur 0,6% hatten mehr als 2.500 Mitglieder, was etwa 5.400 Sportvereinen entspricht. Wahrscheinlich ist die Anzahl während der Pandemie etwas gesunken. Aber auch so stellt man fest, dass Großsportvereine einen geringen Anteil der Gesamtvereine in Deutschland umfassen. Nimmt man allerdings alle Mitglieder von allen Sportvereinen und verteilt sie auf die verschiedenen Größenklassen, ergibt sich ein anderes Bild. 20% sind in größeren Vereinen ab 1001 Mitgliedern, 40% in Vereinen in der Größenklasse zwischen 301 und 1000 Mitgliedern.

 

Der Großsportverein

Jeder hat wahrscheinlich ein anderes Bild, was für ihn ein Großsportverein ist. Wo sich alle Personen schnell einig werden, ist die Tatsache, dass es sich eigentlich immer um Mehrspartenvereine handelt, welche ihren Mitgliedern sehr viele Angebote machen können. Wenn man aber ehrlich ist, kann man es auch nicht eindeutig sagen, wann ein Großsportverein eindeutig als solcher gewertet wird, weil es dazu unterschiedliche Ansichten je nach Institution gibt. Wir als Vereinsstrategen persönlich sprechen ab 2.000 Mitgliedern von einen Großsportverein. Eine wissenschaftliche Einordnung durch Nagel und Breuer kommt zu einem ähnlichen Ergebnis:

  • Alles bis zu 300 Mitgliedern ist ein kleiner Sportverein
  • Zwischen 301 und 800 Mitglieder sprechen wir vom mittelgroßen Sportverein
  • Zwischen 801 und 2.000 Mitglieder ist es ein großer Sportverein
  • Und ab 2.001 Mitgliedern sprechen wir von einem Großsportverein

Manche Sportbünde sprechen aber bereits ab 1.000 Mitglieder von einem Großsportverein, der Freiburger Kreis zum Beispiel erst ab 3.000 Mitgliedern.
Ein weiteres Kriterium, woran man einen Großsportverein messen kann, ist sicherlich auch das jährliche Haushaltsvolumen. Hier geht es aus unserer Sicht ab einer Million Euro los, kann aber ja nach Verein auch deutlich mehr sein. Wenn wir das mit dem Durchschnittsverein mit den 267 Mitgliedern einmal vergleichen, sieht man den großen Unterscheid. Nehmen wir an jedes Mitglied zahlt 7 Euro im Monat als Mitgliedsbeitrag, dann haben wir 22.500 Euro Jahresumsatz aus Mitgliedsbeiträgen, was meist auch 80 bis 90% des Gesamtumsatzes darstellt. Im Podcast haben wir darüber hinaus noch ein paar Experten gefragt, was ihrer Meinung nach einen Großsportverein aus macht. Höre also gerne rein.

 

Hat „Groß“ sein wirklich nur Vorteile?

Auch wenn „Groß“ sein im ersten Moment sehr attraktiv wirkt, wollen wir einmal detaillierter abwägen, wo die Vor- und wo die Nachteile liegen. Denn wo viel Licht ist, gibt es immer auch mindestens einen Schatten.

Vorteile:

  • Durch den Größeneffekt hat man als Verein einen Sonderstatus bei der Politik und wird als wichtiger angesehen. Dadurch können solche Vereine die Sportpolitik in der Region beeinflussen.
  • Mehr Sparten im Verein bieten eine gewisse Flexibilität. Wenn eine Sportart Mitglieder verliert, kann dies durch andere Abteilungen aufgefangen werden.
  • Der Bau und die Unterhaltung eigener Sportstätten ist möglich. Dies macht euch unabhängig von kommunalen Sportstätten und gibt den Vereinen in der Belegung dieser Stätten diverse Möglichkeiten.
  • Das Budget für die Hauptamtlichkeit ist verfügbar. Dies betrifft sowohl die administrative Ebene, wie auch hauptamtliche Stellen im sportlichen Bereich. Dies gibt neue Möglichkeiten in der Strategieentwicklung und bei der Trainingsqualität (z.B. Mitglieder-, Ehrenamtsgewinnung, aber auch andere Themen, die bisher liegen geblieben sind).

Nachteile:

  •  Die Größe des Vereins wird dazu führen, dass sich in den Abteilungen ein gewisses Eigenleben entwickeln wird. Die Schwierigkeit ist es, zum einem am Ende als Führungskraft allen Interessen gerecht zu werden. Daneben entsteht noch das Problem, dass eine gemeinschaftliche Vereinskommunikation schwierig wird. Viele Abteilungen haben noch einmal einen eigenen Social-Media-Kanal oder einen eigenen Newsletter, außerhalb der Kontrolle des Gesamtvereins.
  • Mit zunehmender Größe wird ein Verein unpersönlich. In der Abteilung kennt man im Normalfall noch die meisten Personen, aber das war es dann auch meist. Durch diese fehlende Nähe ist die Bindung der Mitglieder zum Verein deutlich geringer, was wiederrum zu schnelleren Austritten führt, wie man während der Coronapandemie gesehen hat. Der Verein wird in Summe mehr als Dienstleister gesehen und nicht als Gemeinschaft.
  • Der Verwaltungsaufwand eines Großsportvereins ist gigantisch.
  • Das Finden von Ehrenamtlern wird mit zunehmender Größe schwieriger. Die Verantwortung z.B. als Abteilungsleiter ist deutlich höher als bei einem kleinen Verein, wo eine Abteilung nicht aus einigen hundert Mitgliedern besteht. Die Großsportvereine lösen das inzwischen zunehmend so, dass Ehrenamtler als eine Art Aufsichtsrat fungieren und die Arbeit der Hauptamtler kontrollieren.

Schlussendlich kann man sagen, dass Großsportvereine vielleicht gewisse Probleme von kleineren Vereinen nicht haben, allerdings ganz neue Probleme lösen müssen, von denen die anderen befreit sind. Umso größer die Vereine sind, umso mehr werden sie auch wie ein mittelständische Unternehmen geführt und die Entscheidungen entsprechend getroffen. Daraus leitet sich auch ein anderes Selbstverständnis dieser Vereine ab.

 

Das Selbstverständnis von Großsportvereinen

Die Größe erfordert ein anderes Herangehen an Sachverhalte als bei kleineren Vereinen. Man muss mehr proaktiv Agieren als Reagieren und somit auch mehr Gestalten als einen Ist-Zustand zu verwalten. Das hat zum Ergebnis, dass Großsportvereine eine Zielgruppe von Jung bis Alt ansprechen wollen und dementsprechend auch aktiv neue Angebote für alle Zielgruppen im Verein implementieren. Dieses Selbstverständnis zeigt sich aber auch in der schnelleren und guten Umsetzung von neuen Regeln und Standards. Ich denke hier beispielsweise an die Erstellung von Coronakonzepten oder Anpassungen beim Datenschutz. Daneben greifen solche Vereine auch gesellschaftliche Themen wie Inklusion oder Integration auf und führen hierzu Projekte durch. Kleine Vereine haben hierfür einfach nicht die Kapazitäten.
Man spricht dann auch gerne von professionellen Strukturen, die so etwas ermöglichen. Damit geht natürlich auch eine gewisse Erwartungshaltung einher. Mitglieder haben den Anspruch, das Anfragen schnell erledigt werden oder es regelmäßige Sprechzeiten gibt. Sie haben auch eine Erwartungshaltung gegenüber dem sportlichen Angebot. Übungsleiter sollten auch Vormittagsstunden abdecken können oder sich im Ganztagsunterricht oder im Kindergarten engagieren. Wenn es um den Leistungssport geht, sollte es auch einen hauptamtlichen sportlichen Leiter geben. Zusammenfassend kann man sagen, sie wünschen sich Know-How in Schlüsselpositionen und eine gewisse Verlässlichkeit. Der Dienstleistungsgedanke ist also sicherlich vorhanden.
Die Einbindung von ehrenamtlichen Strukturen in einen Großsportverein ist durchaus herausfordernd, weil wir die Situation haben, dass Haupt- und Ehrenamt zusammenarbeiten. In einer idealen Welt könnte die gewählte ehrenamtliche Vereinsführung passiver im Tagesgeschäft werden, Aufgaben delegieren und sich gleichzeitig auf die Repräsentation und strategische Themen fokussieren. In der Realität ist aber meist so, dass das Hauptamt die Strategie entwickelt und sich das Ehrenamt immer wieder unnötigerweise ins Tagesgeschäft einschaltet. Hier muss man als Verein die richtige Balance finden, damit man gemeinsam erfolgreich mehr erreichen kann. Was jeder Verein darüber hinaus benötigt, sind ehrenamtliche Übungsleiter. In einem Großsportverein sollten diese in ausreichender Zahl vorhanden sein und die entsprechenden Lizenzen besitzen bzw. entsprechende Fortbildungen besucht haben.
Spitzensportler und Großsportvereine – das gehört meist auch zusammen. Großsportvereine haben natürlich das Ziel die bestmöglichen Rahmenbedingungen für die Sportler zu schaffen. Mit sehr gut qualifizierten Trainer und guten Sportanlagen schafft man es am Ende auch, eine starke Trainingsgruppen in den verschiedenen Altersbereichen zur Verfügung zu stellen, welche dann auch in den Leistungssport münden können. In der Spitze trainieren dann ggf. Olympiaathleten im Verein und geben dem Verein damit noch einmal eine ganz andere Außenwirkung.
Häufig mündet der Spitzensport, aber auch in der Forderung nach dem Betreiben und dem Bau von eigenen Sportstätten. Wenn die Ansprüche an die Sportstätten steigen und immer mehr Platz gebraucht wird, dann wird es natürlich schwer mit den klassischen Schulsporthallen oder kommunalen Sportplätzen auszukommen. Eigene Sportanlagen machen die Vereine insgesamt auch unabhängiger z.B. gegenüber Hallenschließungen in den Sommerferien, Belegung durch andere Vereine oder dem Schulsport. Die hauptamtlichen Strukturen erleichtern es dabei, sich um Förderanträge zu kümmern und seine eigene Lobby bei der Kommune zu stärken. Dadurch, dass diese Projekte meistens eine Leuchtturmwirkung haben, wird die Lokalpolitik das Ansinnen meist unterstützen.
Durch diesen Einfluss auf die Politik haben Großsportvereine darüber hinaus auch die Möglichkeit in der Quartiersentwicklung mitzuwirken. Die Politik und die Städteplaner sind dankbar für gute Vorschläge. Das kann sich darauf beziehen, wo der Sanierungsbedarf bei einer eigenen aber auch kommunalen Anlage besonders hoch ist oder wo Outdooranlagen in Parks Sinn machen könnten. Gleichzeitig können sich die Vereine aber auch in die gesellschaftliche Quartiersentwicklung außerhalb des normalen Sports einbringen, sei es z.B. Hausaufgabenbetreuung, Sport im Ganztag oder einer Kita. Vielleicht ist sogar der Bau einer eigenen Kita mit Bewegungsschwerpunkt ein denkbarer Weg.

 

Herausforderungen dieser Vereine

Auf das Thema Ehrenamtliche sind wir bereits eingegangen, aber sicherlich bleibt es eine der größten Herausforderungen. Neben dem Finden von geeigneten und gewillten Personen stellt vor allem das parallele Managen dieser Personen (neben den hauptamtlichen Strukturen) Vereine immer wieder vor Probleme. Wenn in einem Vereine an einer wichtigen ehrenamtlichen Position keine oder eine ungeeignete Person sitzt, führt dies mittelfristig zu Konflikten. Aber auch der Verzicht von Ehrenamt ist keine Option. Neben der fehlenden Akzeptanz im Verein ist das auch aus finanziellen Gesichtspunkten nicht machbar.
So schön eigene Sportstätten auch sind, sie sind sehr teuer. Neben dem Bau ist es aber vor allem die Erhaltung, welche den Verein langfristig finanziell belastet. Dies muss aus den unterschiedlichen Vereinseinnahmen in Form einer Mischkalkulation finanziert werden. Der wesentliche Bestandteil sind allerdings weiterhin Mitgliedsbeiträge, welche sich wiederum in der Höhe kaum von den kleinen Vereinen unterscheiden. Im Vergleich bekommen die kleineren Vereine Hallenzeiten von der Kommune umsonst oder gegen eine geringe Miete. Der Großsportverein dagegen baut die Anlage auf eigene Kosten und bekommt ggf. einen Zuschuss von der Stadt oder der Kommune, welcher aber im Verhältnis zu den Gesamtkosten sehr überschaubar ist. Das ist ein gewaltiger Unterschied – finanziell wie auch vom eingegangen Risiko. Das Hauptproblem liegt daran begründet, dass das Sportsystem zur Förderung der Vereine auf dem Durchschnitt angelegt ist und nicht auf Großsportvereine.
Auch die enge Verzahnung zur Politik kann eine Herausforderung werden. Diese Rolle fördert schließlich auch eine gewisse Erwartungshaltung, immer ein Vorreiter sein zu müssen. Gut ist dann nicht mehr gut genug und es braucht immer noch eine Steigerung. Nach einem erfolgreichen Projekt muss gleich das nächste am besten noch größere Projekt folgen. Denn diese Projekte nutzen Politiker natürlich gerne, um sich entsprechend präsentieren zu können. Hier muss man aufpassen, dass man die „All-Parteilichkeit“ wahrt und sich nicht instrumentalisieren lässt.
Solche Projekte können sich dabei auch auf sehr spezifische Themen außerhalb des Sports beziehen, mit welchen sich Großsportvereine auseinandersetzen müssen. Ich denke an Bereiche wie Inklusion oder Prävention von sexueller Gewalt. Hier wird kaum ein Verein einen Experten bei sich im Verein sitzen haben. Diese Projekte sind allerdings gesellschaftlich wichtig. Hier muss man erst einmal einen Ansprechpartner finden – meist entweder beim LSB oder einem sportfremden Interessensverband. Ein Ansprechpartner direkt vor Ort einer anderen Instituation außerhalb der Ballungszentren fehlt aber meist.

 

Fazit

Sollten kleinere Vereine jetzt neidisch auf die eigene Sportanlage, das Geld, die professionellen Strukturen werden? Wir denken nein, weil sie nicht bevorzugt werden und viele Angebote und Projekte in diesen Vereinen einfach aufgrund der Integration hauptamtlicher Stellen möglich sind. Deswegen können wir auch an dieser Stelle gleich die Frage verneinen, ob jeder Verein jetzt danach streben sollte zu wachsen. Wir haben festgestellt, dass Vereine viel vom persönlichen Austausch und dem aktiven Mitgestalten partizipieren. Das geht bei größeren Vereinen zunehmend verloren. Auch die deutlich geringere Bürokratie und die größere Flexibilität sind Argumente für kleinere Vereine. Wenn der Bedarf nach einem größeren Verein in deiner Region da ist, weil viele Personen nach einem Sportangebot suchen, kannst du deinen Verein in diese Lücke hineinentwickeln, aber du solltest es nicht erzwingen. Man sollte einen Verteilungswettkampf bei einem gesättigten Markt schließlich vermeiden und die Ressourcen für wichtigere Sachen verwenden.
Gleichzeitig gibt es aber auch immer mehr Vereine die fusionieren, weil sie Probleme haben, sich eigenständig zu finanzieren oder strukturelle Probleme bei der Mitgliedergewinnung haben. Eine Form, die mittlerweile in fast jeder Liga mit Spielbetrieb angekommen ist, ist die Spielgemeinschaft als „Fusion light“. Hier bleiben meist die Kernvereine eigenständig und sie verschmelzen nur ihren Spielbetrieb – bilden also eine GbR.
Durch Fusionen können aber auch neue Großsportvereine entstehen oder große Vereine nehmen kleine mit auf. Auch das bringt neue Herausforderungen mit sich, da durch Fusionen auch immer ein Stück weit Identität eines Vereins verloren geht. Darauf wollen wir aber an dieser Stelle nicht eingehen.

Wir hoffen, du konntest aus diesem Beitrag viel mitnehmen und kennst jetzt alle wesentlichen Sachverhalte über Großsportvereine. Falls noch Fragen offen sind oder du Themenanregungen hast, kannst du uns gerne unter info@vereinsstrategen.de schreiben. Wenn du uns einen Gefallen tun möchtest, dann empfehle gerne den Blog und Podcast an deine Freunde und Vereinsmitglieder weiter.

Deine Vereinsstrategen
(Martin Schüttler)

Ampelkoalition – Was ändert sich für deinen Verein?

Ampelkoalition – Was ändert sich für deinen Verein?

Sportpolitik

Kommt der goldene Plan 2.0 nach Corona?

 

Die ersten Monate der Ampelkoalition bestehend aus SPD, Grünen und FDP sind vorüber. Höchste Zeit also für uns einmal zu schauen, was im Koalitionsvertrag zu den Themen Vereine, Ehrenamt und Sport aufgeführt wird und dies für dich einzuordnen. Der Blogbeitrag stellt hierbei eine gekürzte Zusammenfassung der Podcastfolge dar.

 

Bund, Länder, Kommune – Wer hat welche Kompetenzen?

Die einfache und allgemeine Antwort ist: Breitensport ist Ländersache und der Bund ist für den Spitzensport und die allgemeinen Rahmenbedingungen zuständig. Gerade Veränderungen der Rahmenbedingungen können allerdings einen ganz erheblichen Einfluss auf deinen Verein haben. Der Bund hat schließlich die Hoheit über die Steuergesetzgebung. Das heißt, er entscheidet, ob und in welcher Höhe es Übungsleiterpauschalen gibt, was als gemeinnützig anerkannt wird und was nicht, oder für wen es Steuerbefreiungen und in welcher Form geben soll. Auch für den Bereich Arbeits- und Sozialrecht ist er zuständig. Prominentes Beispiel hierfür im Wahlkampf war sicherlich die Erhöhung des Mindestlohns.
Bezogen auf dem Sport gibt es im Grundgesetz keine Grundlage für die Sportförderung des Bundes. Trotzdem ist der Spitzensport Sache des Bundes – wie passt das denn zusammen? Laut Grundgesetz ist der Bund für die Repräsentation des Landes zuständig und leitet von dieser Festlegung auch alle Förderungen und Entscheidungen im Spitzensport ab. Das betrifft zum einem natürlich die Spitzensportler, da der Bund als Arbeitgeber auftritt (z.B. Bundeswehr, Polizei), zum anderen aber auch die Infrastruktur, welche er für den Spitzensport zur Verfügung stellt, wie auch die sportwissenschaftliche Forschung. Zum anderen umfasst die Repräsentation auch die Austragung von länderübergreifenden Events wie Olympia, Europameisterschaften, Weltmeisterschaften, etc. Damit hat der Bund natürlich auch zwansläufig Einfluss auf die Entwicklung des Breitensportes. Welche (olympische) Sportart und Verbände werden im Spitzensport besonders gefördert? Welche sportlichen Vorbilder in welchen Sportarten werden unterstützt?

Im Gegensatz dazu finanzieren die Länder und Kommunen den Breitensport. Laut Grundgesetz obliegt den Ländern die Förderung und Pflege des Sports. Begründet wird dies mit der Kulturhoheit der Länder, welche auch Vereine außerhalb der Sportlandschaft umfasst. Genauer bedeutet das, dass die Länder für den Sportstättenbau, den Schul- und Hochschulsport und die Arbeit der Sportorganisationen im Breiten- und Leistungssport zuständig sind. Die Länder haben somit in diesen Bereichen auch Gesetzgebungsbefugnis (Stichwort: Sportfördergesetz) und sind für die Verwaltung und Finanzierung des Sports zuständig. Die Kommunen haben in dem Zusammenhang die Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung, welche im Grundgesetz ebenfalls festgeschrieben ist. Diese beinhaltet Pflichtaufgaben und freiwillige Ausgaben, wobei Sportinfrastruktur zum zweiten Bereich gehört und im Normalfall immer ein Zuschussgeschäft darstellt.
Doch was passiert, wenn die finanziellen Mittel der Kommune und des Landes nicht ausreichen, um die gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen, also Schwimmbäder geschlossen werden oder dringende Modernisierungen an Sportstätten nicht erfolgen? Dann hat der Bund die Möglichkeit „Mitfinanzieren“ zu dürfen. Meist erfolgt dies dann über Fördertöpfe. Es gibt aber auch andere Beispiele für Mischfinanzierungen. Man kann sich also gut vorstellen, dass der Bund, wenn er das möchte, einen großen Einfluss auch auf den Breitensport haben kann. Grundsätzlich trägt die finanzielle Hauptlast aber zum Großteil am Ende die Kommunen. Wenn dort kein Geld vorhanden ist, ist Sport und Kultur meist das erste, was auf der Strecke bleibt.

 

Maßnahmen und Tendenzen im Koaltionsvertrag

Schauen wir uns jetzt einmal im Detail an, welche Punkte im Vertrag erwähnt werden, welche Maßnahmen schon konkreter sind und was eben nicht erwähnt wird. Die Hoffnung von einigen, dass der Sport vom Innenministerium in das Kanzleramt befördert wird, hat sich schon einmal nicht erfüllt.

Corona-Neustart für den Sport

Corona und die Folgen für Kinder, Jugendliche und den Vereinssport hat natürlich eine Rolle im Vertrag. Die Parteien sind sich einig, dass es Neustarthilfen geben soll. Was das bedeutet und wie diese aussehen sollen, wird nicht weiter beschrieben. Bisher ist zum Teil die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt mit der Neustarthilfe des Bundes beauftragt. Die Sportverbände haben teilweise eigene Projekte ins Leben gerufen.

Es bleibt abzuwarten wie erfolgsversprechend dieses Programm dann schlussendlich sein wird und wer damit erreicht werden kann. Grundsätzlich begrüßen wir natürlich die Bewegungsförderung und das Aufholen nach Corona. Wie im Sommer 2021 wird das Timing und der Pandemieverlauf sicherlich entscheidend. Hier haben einige Vereine viel Zeit und Mühe investiert, um über den Sommer und den Herbst wieder Sportler an die Vereine heranzuführen, nur um dann vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen erneut schließen zu müssen. Das Thema Corona bleibt also eine Gradwanderung.

Entwicklungsplan Sport

Dazu soll die Investitionsoffensive für fehlende und sanierungsbedürftige Sportstätten von Kommunen und Vereinen unter Beachtung der Kriterien Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und Inklusion ausgeweitet werden. Besonders Schwimmbäder sollen bei der Förderung stärker berücksichtigt werden, weil immer weniger Kinder schwimmen lernen. So eine Entscheidung ist aus unserer Sicht auch ein Eingeständnis von Fehlern, weil Kapazitäten in den letzten Jahren in den Kommunen weiter abgebaut wurden. Wenn der Bund hier also einen finanziellen Sondertopf zur Verfügung stellt, ist die Frage nach der Verteilung sicherlich berechtigt. Bedarf wird es ausreichend geben. Hier können wir aktuell nur spekulieren und tippen darauf, dass es Sonderfonds an die Länder geben könnte und sich die Kommunen dann dort bewerben müssen. Besonders gefördert werden sollen dabei strukturschwache Regionen

Auch wenn wir nicht die Experten für die Sanierung von Schwimmbädern sind, vermuten wir mal, dass das eher ein Tropfen auf dem heißen Stein sein wird. Dennoch ist jeder Cent dort gut investiert. Das Problem bei den Kindern, die bisher nicht Schwimmen können, ist dann natürlich auch noch, dass geeignetes Fachpersonal benötigt wird, um den Kindern auch die Technik zu vermitteln. Das ist noch mal ein ganz anderes Problem. Wer sein Kind heute zu einem Schwimmkurs anmelden möchte, muss je nach Stadt sehr lange auf einen freien Platz warten. Die Wasserzeiten und die Kapazitäten der Vereine müssen also auch zusammenpassen.

Aber man muss ehrlich sein, das Thema Entwicklungsplan ist nicht neu. Schon 2019 gab es nämlich Gespräche über den sogenannten “Goldenen Plan 2.0“. Dieser war angekündigt worden und fiel dann der Pandemie zum Opfer. Es gäbe also einen Entwurf, welcher mangels finanziellen Ressourcen in der Schublade verschwunden ist. Ein Bundesprogramm zur Sportförderung im großen Stil hätte natürlich etwas. Der Realitäts-Check dürfte aktuell allerdings etwas nüchtern ausfallen. Die Staatskassen werden nach der Pandemie nicht grade üppig gefüllt sein und Finanzbedarf melden viele Stellen an. Realistisch gesehen, schätzen wir einen „Goldenen Plan 2.0“ als unwahrscheinlich ein. Immerhin sollen die Planverfahren bei Baumaßnahmen beschleunigt werden und klimafreundliches Bauen gefördert werden. Wie das in der Praxis auszieht, wird sich zeigen.

Sport in Ganztagsschulen soll gefördert werden

Schulsport ist eine wichtige Säule bei der Bewegungsförderung unserer Jugend. Ziel laut Vertrag soll es sein die Qualität von Ganztagsbetreuung zu verbessern und damit auch Bewegungsförderung und mehr Sport in der Ganztagsschule anzubieten. Wenn man sich die Struktur des Nachmittagsangebots anschaut, wird klar, dass hier auch Vereine mit einbezogen werden müssen, da dies mit den vorhandenen staatlichen Lehrpersonal nicht zu stemmen sein wird.
Für Vereine ergeben sich daraus allerdings drei Probleme:

  • Die Schulzeiten und damit Trainingszeiten sind für die meisten Übungsleiter schwer machbar.
  • Schulen bevorzugen Spielsportarten.
  • Meist wird für ein solches Angebot nur ein geringes Budget zur Verfügung gestellt.

Weiterhin muss man natürlich beachten, dass Bildung Sache der Länder ist. Es wird also spannend sein, wie der Bund darauf Einfluss nehmen möchte. Wir hoffen, dass die Mittel für die Ganztagsbetreuung aufgestockt werden können, sodass auch hauptamtliche oder hochqualifizierte Übungsleiter des Vereins entsprechend entschädigt werden. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass die Situation in der Schule noch eine andere ist als im Verein. Der Bildungsauftrag und die Pädagogik stehen hier mehr im Fokus. Zudem sind die Schüler nicht so engagiert und freiwillig wie beim Vereinssport, was den Übungsleitern das Leben manchmal schwerer macht.

Zusätzlich soll mit diesem Programm auch die Inklusion im Sportunterricht weiter vorangetrieben werden. Dafür braucht es logischerweise wieder qualifiziertes und geschultes Personal und angemessene Sportstätten. Dies ist mit sehrt hohen Kosten verbunden.

Mindestlohn und neue 520€ Grenze für Minijobs bzw. 1600€ bei Midijobs

Kommen wir zu einem Thema, was auf den ersten Blick gar nichts mit dem Sport zu tun hat – die Erhöhung des Mindestlohns. Hier gibt es allerdings Schnittmengen, wenn dein Verein jemanden als Minijobber oder in der Gleitzone dem sogenannten Midijob beschäftigt. Wenn der Mindestlohn steigt, können diese Mitarbiter

a) weniger Stunden pro Woche arbeiten und das gleiche Gehalt bekommen oder
b) sie rutschen aus den Grenzen raus und unterliegen dann der vollen Sozialversicherungspflicht.

Auf diese beiden Fälle solltest du dich also vorbereiten. Wenn deine Beschäftigten also aktuell weniger als 12€/h verdienen, überprüfe, welche Auswirkungen diese Erhöhung haben könnte. Beschlossen ist sie aktuell noch nicht, doch eine Erhöhung im Oktober 2022 gilt als wahrscheinlich. Auch die angedachte Erhöhung der Verdienstgrenze von 450€ auf 520€ bzw. 1.300€ auf 1.600€ ermöglicht deswegen keine Erhöhung der Stunden, sondern dienen mehr dem (nicht vollständigen) Ausgleich der Mindestlohnerhöhung.

Stärkung des Ehrenamts in Deutschland

Die Fördermittel der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) sollen deutlich erhöht werden und das Gemeinnützigkeitsrecht modernisiert werden, um „der entstandenen Unsicherheit nach der Gemeinnützigkeitsrechtssprechung des Bundesfinanzhofes entgegenzuwirken“. Hierzu sollen „gegebenenfalls […] auch die einzelnen Gemeinnützigkeitszwecke“ konkretisiert und ergänzt werden. Da sind wir natürlich sehr gespannt, wie sich das in die Praxis umsetzen lässt. Grundsätzlich können wir Entbürokratisierung nur begrüßen, allerdings ist sie auch schon oft versprochen worden. Erfahrungsgemäß hat der Bürokratieaufwand im Ehrenamt in den letzten Jahren eher zugenommen. Es bleibt also abzuwarten, ob es sich hier um leere Versprechen oder einen echten Ansatz zur Verbesserung handelt. Die DSEE Stiftungsgelder hochzusetzen hilft zwar für die glücklichen Antragssteller, aber auch hier sollte man skeptisch sein. Aus unserer Erfahrung kommt das Geld nämlich vorrangig bei den Vereinen an, die Zeit und Lust haben sich damit zu befassen und entsprechende Anträge zu stellen. Viele Vereine kennen diese Stiftung nämlich überhaupt nicht und wissen somit auch nicht, dass sie Gelder erhalten könnten.

E-Sport soll gemeinnützig werden

Das E-Sport als Sport im Sinne der Gemeinnützigkeit aufgenommen werden soll, stand schon im letzten Koalitionsvertrag. Auch im neuen Koalitionsvertrag bleibt aber unklar, um welchen E-Sport es sich genau handeln soll – auch unter welchen Zweck E-Sport fallen könnte oder ob es einen eigenen Gemeinützigkeitszweck geben könnte, ist bisher nicht ersichtlich. Hier prescht die Politik wieder ein bisschen voraus, da sich der organisierte Sport im Grundsatz noch gar nicht einig ist, ob und unter welchen Bedingungen E-Sport überhaupt gemeinnützig sein kann oder soll. Durch das Vorgehen der Politik, wird ein Stück weit die Autonomie des Sports untergraben. Das rüttelt an den Grundfesten des allgemeinen Sportverständnisses, darf aber auch nicht überbewertet werden, bevor nicht auch Taten folgen.

Abzuwarten bleiben natürlich die Folgen für den „traditionellen“ Sport, wenn auch E-Sport in den Genuss der Vorteile der Gemeinnützigkeit kommt und wie sich die Sportvereine verhalten. Wird es dann zum Beispiel eher Sparten in den Vereinen geben oder doch eher eigene Vereine, weil die Unterschiede zum analogen Sport zu groß sind? Wie kann man die E-Sportler ins analoge Vereinsleben integrieren? Für welche Vereine macht das in Anbetracht der geringen Digitalisierungskompetenz im Verein überhaupt Sinn, sich da Gedanken zu machen?

Alle diese Fragen wird dann die Praxis zeigen. Grundsätzlich wird der E-Sport nicht mehr verschwinden. Er hat schon über die Jahre eigene sehr gut organisierte Strukturen aufgebaut und ist im Mainstream längt angekommen. Es ist nur noch eine Frage, wann er auch in den Vereinen ankommt. Allerdings wird es spannend, wo die Grenze der Gemeinnützigkeit gezogen wird. Gilt sie nur für Sportsimulationen? Nur für Spiele, die als Team gespielt werden können? Wird es gar keine Grenzen geben und auch Spiele mit Gewaltinhalten zählen dazu? Der Jugendschutz wird hier sicherlich eine entscheidende Rolle spielen.

Neben den vorgestellten Punkten gibt es auch noch andere Maßnahmen, die aber nur eine kleine Anzahl an Vereinen betreffen werden bzw. keinen direkten Einfluss auf die Vereine haben werden. Auf diese gehen wir im Podcast noch kurz ein. Wir hoffen dir hat der Blogbeitrag bzw. der Podcast gut gefallen. Bitte empfehle uns bei Gefallen auch sehr gerne weiter. Falls du Fragen oder Anmerkungen hast, schreibe uns gerne eine E-Mail an info@vereinsstrategen.de.

Deine Vereinsstrategen
(Martin Schüttler)