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So gelingt Integration im Verein

So gelingt Integration im Verein

Integration

Beispiele, Konfliktlösung und Umsetzung

 

Integration ist eines der meist diskutierten Themen in der Gesellschaft. Die Vereinslandschaft wird dabei als eine der Stützen für eine gelungene Integration gesehen. Das dies aber für viele Ehrenamtler im Verein eine große Herausforderung ist, die auch häufiger scheitert, wird von der Gesellschaft häufig übersehen. Damit du und dein Verein aber zumindest einen ersten Überblick bekommst, was beim Thema Integration alles zu beachten ist, haben wir uns in den Podcast Roy Gündel eingeladen. Er ist Leiter des Fachbereichs Integration und Sport/soziale Arbeit beim LSB Niedersachsen. Der Beitrag ist eine Zusammenfassung der wesentlichen Aspekte des Interviews.

Grundsätzlich hat das Thema Integration spätestens seit der Flüchtlingskrise 2016 stark an Bedeutung gewonnen. Aber bereits in den letzten 10 bis 20 Jahren hat sich durch mehrere Liberalisierungsschübe gesellschaftlich als auch im Sport extrem viel getan. Unterstützt wird diese Entwicklung durch die zunehmende Globalisierung und der damit weltweit zunehmenden Migration.
Wieso Vereine beim Integration eine so große Rolle spielen liegt in einer ihrer originären Grundfunktionen, nämlich starke gesellschaftliche Bindungskraft zu erzeugen, begründet. Diese soll auch bei zunehmender Migration weiterhin bestehen bleiben. Dafür muss man sich aber den veränderten Bedingungen stellen und sich mit diesen beschäftigen. In vielen Vereinen ist das Thema einer diverseren Gesellschaft bereits angekommen. Die erfolgreiche Integration von Migranten gelingt aber besonders gut, wenn man dieses Thema versucht bewusst zu steuern. Hier beginnt dann auch die Unterstützung durch den jeweiligen LSB.

Integration und Sportvereine – Die Datenlage

Bevor wir jetzt aber im Detail darauf eingehen, schauen wir uns erst einmal die Datenlage zum Thema Integration und Sportvereine an. Denn da stellt man recht schnell fest, es ist gar nicht so einfach. Da die Vereine (bewusst) keine Umfragen vom LSB zum Thema „Migrationshintergrund der Mitglieder, etc.“ gestellt bekommen, gibt es keine Datenbasis, womit nähere Untersuchungen möglich sind. Eine aussagekräftige Studie kommt hingegegen vom Bundesamt für Integration. Dieses hat ermittelt, wie die Bevölkerungsstruktur von Sportvereinen im Vergleicht zur Gesamtbevölkerung ist. Dabei kam unter anderem heraus, dass 70% aller Kinder auch Mitglied im Sportverein sind, bei Kindern mit Migrationshintergrund sind es nur 55%. Weitere Ergebnisse waren z.B. je schwieriger die soziale Situation ist, desto geringer ist der Organisationsgrad im Verein – auch dies trifft auf Personen mit Migrationsgrund häufiger zu. Aber auch die Herkunft ist entscheidend. Während man bei Personen aus den ehemaligen europäischen Ostblockstaaten keine nennenswerten Differenzen zu Menschen aus Deutschland findet, sind z.B. Mädchen mit türkischen Wurzeln in Sportvereinen stark unterrepräsentiert (16%). Ziel muss es aus Sicht des LSBs sein diese Unterschiede zu verringern.

Erschwerend bei solchen Umfragen kommt noch hinzu, dass jede Person auch eine unterschiedliche Meinung hat, was Integration eigentlich ist. Es gibt grundsätzlich mehrere Perspektiven und das „eine“ Konzept gibt es nicht. Der LSB sieht unter dem Begriff einen „fortwährenden Aushandlungsprozess mit dem Ziel der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen über soziale und kulturelle Unterschiede hinweg“. Das grundsätzliche Problem hinter dem Begriff ist, dass Menschen die zusammengebracht werden sollen, über diesen Begriff wieder in Schubladen gesteckt werden. Dabei handelt es sich meist immer um Fremdzuschreibungen – andere Menschen schreiben einer Person einen Migrationshintergrund zu, obwohl diese selber das vielleicht gar nicht so empfindet. Ein weiteres Problem ist die Übertonung der Feststellung des Migrationshintergrunds bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Unterschiede in den verschiedenen Gruppen der Personen mit Migrationshintergrund. Deswegen möchte der LSB vor allem am gemeinsamen „Wir“ der Vereinsmitglieder arbeiten. Allerdings stößt auch der LSB dabei an Grenzen. Auch wenn er versucht Pauschalisierungen zu vermeiden, muss er z.B. bei der Verteilung von Fördermitteln durchaus selber wieder auf die Schuladen zurückgreifen, um Gruppen entsprechend zu bestimmen. Roy Gündel ist es aber wichtig zu betonen, dass die meisten Fragen bzw. Probleme nicht kultureller Natur sondern sozialer Natur sind.

Beispiele für erfolgreiche Integrationsprojekte

Als gute Beispiele für gelungene Integrationsarbeit wurden ein paar im Podcast besprochen. Kurzfristige Projekte wurden sicherlich 15/16 im Zuge der Flüchtlingskrise durch diverse Vereine durchgeführt. Die Turnhallen wurden damals als Notunterkünfte umfunktioniert und die Mitglieder aus den Vereinen, die nicht mehr ihrem Sport nachgehen konnten, haben dann niederschwellige Sportangebote für Flüchtlinge ins Leben gerufen. Das hat das Ankommen sicherlich für viele erleichtert.
Um langfristig erfolgreiche Integrationsarbeit im Sportverein zu leisten, sind allerdings einige Dinge zu beachten. Als Ausgangsbasis ist wichtig, dass die Vereine versuchen müssen, dass Menschen aus anderen Ländern auf Augenhöhe mitdiskutieren, entscheiden und ihre Bedürfnisse artikulieren können. Das bedeutet z.B. auch, dass man immigrierten Menschen die Möglichkeit geben sollte, sich ehrenamtlich zu engagieren.
Ein Beispiel hierfür ist das Projekt „Soccer-Referee-Coach“. Ursprung des Projektes war das Problem, dass etwa 50 geflüchtete Personen gleichzeitig auf den Fußballplätzen des Vereins spielen wollten. Das gab natürlich erwartungsgemäß Probleme in der Trainingsleitung. Die Idee war dann, auch aufgrund des personellen Bedarfs und der sprachlichen Barriere, dass Personen aus der Gruppe selbst zu Trainern ausgebildet werden sollten. Jetzt gibt es allerdings das Problem, dass die klassische Lizenzausbildung nur zu absolvieren ist, wenn du man bereits gute Sprachkenntnisse hat. Deswegen war die Lösung eine niederschwellige Qualifizierung zu ermöglichen. Diese liegt zwar inhaltlich unter den offiziellen Lizenzen, aber befähigt die jeweilige Person Gruppen entsprechend zu leiten. Am Ende wurde das Ziel, dass Geflüchtete andere Geflüchtete trainieren erreicht.

Doch es gibt beim Thema Integration auch einige Hindernisse, welche du und dein Verein beachten solltest. Dazu gehört es, dass du dir erst einmal die Frage stellst, welche Konflikte gibt es überhaupt bzw. kann es geben? Ein Punkt an dem man als eine Person, die mit dem deutschen Vereinswesen aufgewachsen ist, vielleicht gar nicht denkt, ist das Vereinswesen selber. Es gibt kaum Länder auf der Welt, welche eine vergleichbare Vereinsstruktur in Aufbau und Organisation besitzen, wie wir in Deutschland. Dies muss man aber wissen, wenn man versucht, Personen aus anderen Ländern für seinen Verein zu gewinnen. Hier muss man die Ansprache entsprechend anpassen, man muss also Wege finden diese Menschen zu erreichen. Dies geht am einfachsten, wenn man sich mit Leuten zusammensetzt, welche Profis im Bereich der Integration sind und von ihren Erfahrungen lernt. Das können z.B. Quartiersmanager, Personen aus dem Jugendzentrum oder aus Schulen sein.
Der LSB unterstützt bei der Ansprache durch Seminare, um die interkulturelle Kompetenz zu erhöhen, oder durch hauptamtliche Unterstützung der ehrenamtlichen Vereine. So kann das das Ehrenamt z.B. von den breiten Netzwerken profitieren und mit den entsprechenden Integrationsprofis aus der entsprechenden Stadt zusammengebracht werden. Diese wissen, wie man die jeweilige Zielgruppe anspricht. Im Anschluss müssen sich die Vereine nur noch entsprechend gegenüber der Zielgruppe präsentieren. Hier gibt es dann ggf. auch Bezuschussungen vom LSB.

Konflikte – meistens liegt es nur am Blickwinkel

Das Thema Integration und die Konflikte, welche dabei auftreten können, sind wahrscheinlich vielen bekannt. Doch häufig muss man sich einmal selbst hinterfragen, ob die Beweggründe, die zu dem Konflikt führen, überhaupt berechtigt sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist das „Schwimmen von Frauen in geschützten Räumen“. Vereine, die das umgesetzt haben, berichten immer wieder von Beschwerden. Doch schauen wir uns einmal an, was die Gründe dafür sind, warum Menschen dieses Angebot wahrnehmen:

  • Die Teilnehmerinnen haben ein Schamgefühl, weil sie noch nicht schwimmen können und dieses jetzt lernen wollen.
  • Die Schönheitsideale sind andere, deswegen wollen sie nur unter Frauen schwimmen.
  • Die Teilnehmerinnen haben Angst vor dem Wasser z.B. wenn sie durch eine Flucht über das Mittelmeer traumatisiert sind.
  • Es handelt sich um patriarchische Familienstrukturen mit dem entsprechenden Rollenbild der Frau.

Wenn man ehrlich ist, ist eigentlich nur der letzte Punkt wirklich konfliktreich. Hier könnte man sagen, dass die Vereine Diskriminierung unterstützen. Allerdings muss man auch ehrlich sein – was ist denn die Alternative? Deswegen wäre auch dieser Punkt aus LSB-Sicht keine Desintegration, weil man damit zumindest verhindert, dass Parallelstrukturen geschaffen werden.

Wir hatten zu Beginn des Beitrages bereits geschrieben, dass man alle Menschen die Möglichkeit geben soll, ihre Bedürfnisse und Meinungen auf Augenhöhe zu artikulieren. Nur so kann man Hierarchien abbauen. Wer aber denkt, dass mit diesem Weg keine Konflikte mehr entstehen, der täuscht sich. Denn durch die Möglichkeit der Migranten Bedürfnisse zu artikulieren, werden neue Konflikte entstehen. Das Ziel muss dann sein, solche Konflikte im Verein auch austragen zu können.

Integration umsetzen

Vereine sollten es sich leisten können, Fehler machen zu, frei nach dem Motto: „Praxis ohne Theorie ist immer noch besser als Theorie ohne Praxis.“ Gerade bei der Integrationsarbeit sollte man Dinge einfach ausprobieren. Hierfür kann es durch den LSB auch finanzielle Unterstützung geben, denn grundsätzlich hat der Vereinssport ein hohes Potential für erfolgreiche Integration. Die Migranten, welche in den Verein kommen wollen, vereint mit den bisherigen Mitgliedern ein gemeinsames Interesse zur Sportart. Zum anderen sind bei vielen Sportarten die Regeln universell, Sprachbarrieren können so überwunden werden. Das sind auf jeden Fall gute Voraussetzungen.
Allerdings muss auch den Vereinen die Grenzen bewusst sein – jeder kann seinen Beitrag leisten, aber am Ende sind nicht die Vereine dafür verantwortlich die gesellschaftlichen Missstände zu lösen. Der Fokus muss auf Mitgliederentwicklung, ehrenamtliches Engagement und Positionierung gelegt werden.

Wenn dein Verein plant das Thema Integration mehr bei sich in den Fokus zu nehmen oder damit erstmalig beginnen will, möchten wir Dir diese sechs Tipps mit an die Hand geben:

  1. Einfach anfangen, aber nicht gleich die ganze Welt retten wollen. Der Weg entsteht oft beim Gehen.
  2. Klärt das Selbstverständnis im Verein – Warum wollen wir uns dem Thema widmen? Was ist unsere Motivation? Was sind unsere Ziele? Was ist unser Rahmen?
  3. Hinterfrage die eigenen Strukturen – Gibt es bei uns im Verein unsichtbare Hemmschwellen, Angebote oder Strukturen, die Menschen ausschließen? Es kann also z.B. sein, dass die Angebotspalette einfach nicht ausreichend ist für Migranten (z.B. in Deutschland eher unpopulärere Sportarten wie Ringen oder Cricket sind in anderen Ländern sehr beliebt).
  4. Wir sollten Kompetenzen bündeln und erweitern. Das bedeutet, arbeite mit Profis zusammen, um deine Ansprachewege zu überprüfen und zu verbessern. Es gibt immer Menschen, die sich ehrenamtlich und hauptamtlich mit Integrationsarbeit beschäftigen. So eignet man sich langfristig (neben Fortbildungen) Know-How an.
  5. Versuche immer die Kommunikation auf Augenhöhe zu führen. Ein häufiger Fehler ist, dass man denkt, man weiß was andere Menschen brauchen. Mit diesem Ansatz scheitern aber häufig gut gemeinte Projekte. Deswegen immer mit den Menschen die reale Bedarfslage abklären.
  6. Gelassen bleiben! Das Thema Integration wird häufig emotional geführt, mit eigener Meinung aber auch eigener politischer Haltung. Das gehört zu einer diversen Gesellschaft dazu. Aber auch wenn es Dissens gibt, sollte man einfach gelassen bleiben.

Fördermittel im Bereich Integration

Die Fördermittel unterscheiden sich zwischen den einzelnen Landessportbünden nur geringfügig. Wir zeigen euch hier die Möglichkeiten beim LSB Niedersachsen auf. Grundsätzlich hängt die entsprechende Förderung stark von der Idee des Vereins ab und der LSB reagiert darauf mit einer möglichst breiten Palette. Etwas klassisches ist die Initiierung eines neuen Sportangebotes bzw. einer neuen Sportart Im Verein. Dies kann aber auch als Schul-AG oder in Zusammenarbeit mit einem Jugendclub erfolgen. Hier kannst du einfach einen Antrag für eine pauschale Starthilfe stellen. Diese 1.000 Euro für die ersten 12 Monate gibt es recht unbürokratisch.
Genauso fördert der LSB aber auch Veranstaltungen in diesem Bereich oder wie oben schon beschrieben auch die Kompetenzförderung von Geflüchteten, welche z.B. Übungsleiter werden wollen. Anteilsfinanzierungen kann es darüber hinaus auch bei umfangreicheren Projekten geben. Grundsätzlich empfiehlt der LSB, dass man, bevor man etwas startet, gemeinsam draufschauen sollte, zum einem um die ideale Förderung zu finden, zum anderen um auch die Netzwerke zur Verfügung stellen zu können. Und keine Sorge nicht jeder Verein muss Integration zu seiner neuen Kernkompetenz ernennen. Hier gibt es bisher auch nur eine überschaubare Anzahl in Niedersachsen, welche als Stützpunktvereine im Programm „Integration durch Sport“ aufgehangen sind.

Bei weiteren Fragen zum Thema Integration wendest du dich am besten an den Ansprechpartner beim jeweiligen LSB. Dieser kann dich auch gerne an weitere Experten vermitteln. Wenn du uns gerne von deinen Erfahrungen beim Thema Integration oder von eurem Vereinsprojekt erzählen möchtest, sende uns gerne eine E-Mail an info@vereinsstrategen.de. Es wird zu dem Thema noch zwei weitere Folgen bzw. Beiträge geben. Wir hoffen du konntest aus diesem Beitrag viel mitnehmen und würden uns freuen, wenn du unseren Podcast abonnierst

Deine Vereinsstrategen
(Martin Schüttler)