Gesundheitssport
Der Spagat zwischen Theorie und Praxis
Der heutige Beitrag ist eine abschließende Diskussion zum Thema Gesundheitssport. Dafür haben wir uns mit Juliane Schattauer eine Praxisexpertin zum Thema Gesundheitssport eingeladen. Sie arbeitet nicht nur als Trainerin im Gesundheitssport mit entsprechender Lizenz, sondern ist unter anderem Landesturnwartin beim NTB und Mitglied der Arbeitsgruppe „Gesunder Turnverein“. Mit ihr wollen wir diversen Fragen aus dem Gesundheitssport nachgehen und unsere Teils auch unterschiedlichen Sichtweisen zum Thema besprechen. Es handelt sich hierbei um eine leicht gekürzte und angepasste Version der entsprechenden Podcastfolge.
Pascal:
Hallo Juliane, vielen Dank, dass du den Weg in den Podcast gefunden hast. Wir freuen uns dich hier begrüßen zu dürfen.
Juliane:
Hallo Pascal, Hallo Martin Danke für diese tolle Vorstellung und vielen Dank, dass ich bei euch zu Gast sein darf. Das ist tatsächlich das erste Mal, dass ich nicht als Hörer dabei bin, sondern als Teilnehmer.
Pascal:
Sehr schön, dann darfst du direkt die Einstiegsfrage beantworten, die wir aktuell jedem Gast stellen und zwar was ist dein schönstes Vereinserlebnis gewesen bisher in deiner Karriere?
Juliane:
Also ich bin schon ewig Trainerin und da gibt es unheimlich viele tolle Dinge, die passieren. Ich gebe Kurse für Mütter und Babys – dort die Entwicklung mitzubekommen, wie die Kinder sich entwickeln, wie sich auch die Mütter in diesem Sportstunden entwickeln ist toll. Dazu kommt dieses soziale Gefühl, dieser Zusammenhalt, das macht einfach immer wieder Spaß.
Pascal:
Juliane, du hast ja sicherlich die beiden Episoden auch schon gehört, wo wir die Rahmenbedingungen zum Reha- und Präventionssport erklärt haben. Die Frage, die wir uns stellen ist, wo geht die Reise eigentlich zukünftig hin? Wie siehst du die Zukunftschancen von Gesundheitssport und von Vereinen? Können es sich Vereine überhaupt noch erlauben, gar keinen Gesundheitssport anzubieten?
Juliane:
Also ganz ehrlich für mich ist eines der wichtigsten Standbeine im Sportverein der Gesundheitssport. Wir merken, dass der demografische Wandel zunimmt. Das heißt, die Struktur in den Verein wird ja immer mehr in Richtung der Älteren wandern und die Älteren haben halt Bedürfnisse. Ein Grundbedürfnis ist, dass sie sich möglichst lange selbständig bewegen und selbständig leben möchten. Ihr habt ja schon in den Folgen über Präventionssport die Kernziele des Gesundheitssport angesprochen und eines dieser Kernziele ist natürlich die Verbesserung der Bewegungsverhältnisse. Das erreichen wir im Gesundheitssport.
Pascal:
Sehe ich genauso. Also du hast eben angesprochen, die Leute werden älter und bleiben fit und müssen deswegen in Bewegung kommen. Also wo ich ein paar Abstriche machen würde – ich glaube, dass die großen Vereine sowieso schon Gesundheitssport machen, also alles was so in Richtung 1000 Mitglieder geht. Dort kommt man um Gesundheitssportangebote gar nicht mehr drum herum.
Ich denke, dass das Thema ist trotzdem noch wachstumsfähig. Gerade im ländlichen Raum, wo sich nicht viele kommerzielle Anbieter tummeln und für Vereine, die sich irgendwie zwischen 200 und 500 Mitgliedern bewegen, bieten sich Chancen. Diese sollten sie ergreifen, auch um neue Mitglieder zu finden und eben zu binden.
Juliane:
Ja, das sehe ich auch so, also gerade für die kleineren Vereine ist der Gesundheitssport eine Riesenchance, um auch Menschen in den Verein zu holen, die vielleicht bislang noch sehr entfernt sind vom Sport. Sie verbinden vielleicht Sport aus ihrer Kindheit und Jugend viel mit Leistung verbinden und haben nie daran gedacht Sport aus Spaß zu betreiben.
Pascal:
Das ist auf jeden Fall so ein Charakter, der momentan verloren geht – also der Wettkampfsport tritt immer mehr in den Hintergrund. Martin du zum Beispiel kommst aus dem Fußballbereich – wie ist dein Zugang zum Gesundheitssport aktuell?
Martin:
Also ich sag mal dadurch, dass wir uns jetzt intensiv mit dem Thema beschäftigt haben, muss ich zugeben hat sich bei mir sportiv schon ein bisschen was verändert. Ich meine Ganzkörpertraining und mit dem eigenem Körpergewicht trainieren, dass mach ich jetzt auch regelmäßig. Und da gibt es einige Teile, welche im Präventionssport durchaus auch vorhanden sind. Das Einzige, wo ich mal wirklich einen Kontaktpunkt hatte, war bei einem früheren Arbeitgeber. Da haben sie das immer in der Mittagspause angeboten gehabt und jemanden einladen, der macht dann Yoga, Entspannungsübungen oder Rückengymnastik gemacht hat. Das Problem war nur, dass konnte von uns kaum einer wahrnehmen. Am Ende des Tages war die Arbeit in dem Moment aber wichtiger als Sport und man hätte keinem Chef erklären können, ich mache jetzt Gesundheitssport, anstelle meiner Aufgaben. Das war sogar teilweise bei Werder auch so – auch da hatten wir die Möglichkeit, zum Beispiel mittags ins Fitnessstudio zu gehen. Manchmal was das zeitlich aber einfach nicht möglich.
Ich weiß nicht, Juliane kennst du diese Probleme auch? Also dass Arbeitgeber solche Angebote anbieten, wo man dann aber zu der Erkenntnis kommen muss, die Mitarbeiter können das eigentlich gar nicht in Anspruch nehmen?
Juliane:
Also dadurch, dass ich jetzt sehr im ländlichen Raum beruflich tätig bin, sehe ich das so, dass während der Arbeitszeit auch in den Pausen noch nicht viel angeboten wird. Das ist wahrscheinlich eher in Städten so der Fall. Was ich aus dem betrieblichen Gesundheitssport aber weiß ist, das Angebote gerne wahrgenommen werden, wenn sie vom Arbeitgeber während der Arbeitszeit im Betrieb stattfinden. Allerdings je mehr Freizeit eingebracht werden soll, desto mehr nimmt die Bereitschaft der Mitarbeiter ab, an so etwas teilzunehmen und am Ende bleiben wahrscheinlich dann immer nur die übrig, die entweder ein starkes Bedürfnis haben, weil sie körperliche Beschwerden haben oder die sowieso schon viel Sport haben.
Martin:
Ja, aber das ist eigentlich genau der falsche Motivationsaspekt. Die Frage ist, mache Sport um möglichst Arbeit zu vermeiden? Und das sollte eigentlich nicht Sinn der Sache des sein. Gesundheitssport ist auch dafür da, zu sagen, selbst nach der Behandlung, wenn man jetzt z.B. im Rehasport war, Sport machen zu können und um sich selber weiterbilden zu können in diesem Bereich. Wenn ich dann in der Firma bin und präventiv arbeiten möchte, dann lerne ich Übungen kennen, wende sie dann aber später nicht mehr an. Dann ist der Erfolg der Aktion meiner Meinung nach überschaubar.
Pascal:
Ich würde das noch ein bisschen anders sehen und zwar nicht nur als Arbeitsvermeidungsmaßnahme, sondern auch der Arbeitgeber hat da durchaus was von. Weil dadurch, dass die Mitarbeiter sich bewegen, sind sie natürlich auch fitter im Alltag, haben weniger Rückenschmerzen zum Beispiel und dadurch ändert sich der Krankenstand. Über die betriebliche Gesundheitsförderung beziehungsweise dessen Managements sollten wir uns aber vielleicht noch einmal an anderer Stelle unterhalten.
Kommen wir einmal zu den Begriffen Präventions-und Rehasport. Was ist eigentlich attraktiver von den beiden Sachen? Da ist aus meiner Sicht aus der Vereinsperspektive gar kein großer Unterschied zu sehen, wenn wir jetzt rein vom Interesse der Leute ausgehen. Das sind 2 verschiedene Gruppen, die wir ansprechen – einmal Leute, die halt ihre Gesundheit fördern wollen, die anderen sind schon krank und wollen sich wiederherstellen. Auch die Kurse von Beiden sind nachgefragt und vom finanziellen Aufwand macht es keinen großen Unterschied, wenn die Präventionskurse entsprechend ausgestattet sind. Das Einzige, was ich für mich unterscheidet in der Betrachtung, ist die Sicht des Teilnehmers. Der Teilnehmer im Präventionssport zahlt ja einen gewissen Beitrag und bekommt im Nachgang, wenn es z.B. mit einem Pluspunkt zertifizierter Kurs ist, 80% circa wieder zurück von der Krankenkasse, das heißt er trägt 20% Eigenanteil. Beim Rehasport zahlt die Krankenkasse beziehungsweise der Rentenversicherungsträger hundert Prozent der Kursgebühren. Das heißt für den Teilnehmer macht es schon einen Unterschied. Von daher ist für den Teilnehmer Rehasport von der Kostenseite interessanter. Allerdings muss derjenige eine gewisse Vorschädigung haben und hat im Prinzip keine Wahl. Das heißt, diese 20% Eigenanteil im Präventionssport sind eventuell gut angelegtes Geld in die eigene Gesundheit. Von daher – beides ist wichtig. Von der Attraktivität her, aber auch von den Zugangsvoraussetzungen gibt es gar nicht so große Unterschiede für die Vereine. Von daher einfach mal mit einem Angebot starten und schauen, wie es läuft, vielleicht habt ihr schon einen Trainer bei euch im Verein.
Martin:
Aber würdest du beides im Verein anbieten wollen auf einmal oder würdest du dich erst einmal spezialisieren, also eines von beidem anbieten?
Pascal:
Ich glaube, die beiden Sachen ergänzen sich schon bzw. können auf jeden Fall koexistieren. Ich denke, wir haben es in der Rehasport-Ausgabe schon gesagt: Wenn ich jetzt etwas starten würde, würde ich mit einem Rehakurs starten, weil die Hürden für den Teilnehmer noch relativ gering sind und die Einnahmen sicher für den Verein, das heißt, ich kann auch eine Übungsleiterausbildung gut finanzieren, da der Kurs sich relativ schnell trägt. Aber auch bei der Prävention mit ihrer anderen Zielgruppe ist durchaus Bedarf da. Wenn ich also noch genug Kapazitäten an Hallen- und Übungsleiterzeiten habe, dann lohnt es sich das auf jeden Fall.
Juliane bei uns sind die Kurse voll. Erzähl mal bisschen wie läuft das bei dir ab?
Juliane:
Ich würde gern noch einen kleinen Schritt wieder zurückgehen. Ich würde tatsächlich sagen ein Verein, der dann noch nichts macht, sollte mit einem Präventionsangebot starten. Denn die Präventionsangebote sind zum einen für die Übungsleiter, von der Ausbildung her gesehen, schneller zu erreichen. Zum anderen ist es für die Teilnehmer ein sehr niederschwelliges Angebot. Das heißt ein gesunder Teilnehmer, der sich für Sport interessiert, sich bislang aber noch nicht getraut hat, etwas mitzumachen oder sich nicht traut, in eine bestehende Gruppe zu kommen, der kann dadurch in eine neu aufgebaute Gruppe kommen in Form eines abgeschlossenen Kurses und erst mal schnuppern. Das finde ich aus Sicht des Vereins ziemlich attraktiv, denn dadurch bindest du gleich neue Mitglieder an dich. Während des Kurses müssen sie ja noch kein Mitglied sein, aber wenn sie dann erstmal die Hallenluft geschnuppert haben, ihre Gruppe kennen, den Übungsleiter kennen, dann ist der Schritt in ein Dauerangebot bei uns im Verein einfach der nächste.
Deswegen würde ich nicht sagen, fangt nicht mit einem Rehasportangebot an, sondern fangt mit der Prävention an.
Pascal:
Das habe ich so noch nicht betrachtet, macht aber durchaus Sinn.
Martin:
Ich würde auch weiteren Punkt anbringen, also ich glaube, wenn du mit beiden Angeboten auf einmal startest, hast du das Problem, dass du 2 komplett unterschiedliche Abrechnungsverfahren hast und ich glaube, dass es von der Administration schon besser ist, als wenn du mit nur eine Sache am Anfang beginnst. Wenn du später der Meinung bist, du verdienst genügend Geld damit, dann kannst du dir dann vielleicht auch ein Hauptamtlichen leisten, oder jemanden in Teilzeit, der sich nur um das Abrechnen und diesen ganzen Organisationskram kümmert. Dann macht das Sinn, aber ich glaube zu Beginn, würde ich mich wahrscheinlich auch nur für eins entscheiden und da würde ich mich zumindest, was die die administrative Seite angeht, wahrscheinlich auch für den Präventionssport entscheiden.
Pascal:
Dann darfst du jetzt mal aus der Praxis berichten. Die Kurse sind voll. Juliane, ich habe es eben schon gesagt. Wie nehmen die Leute den Präventionssport an. Du machst Wirbelsäulengymnastik bei uns im TSV.
Juliane:
Genau ich mache Wirbelsäulengymnastik und bei uns in der Abteilung bieten wir dann auch noch das Präventionskonzept „Bewegen statt schonen“ an und „Cardio aktiv“. Das sind zertifizierte Konzepte, die von der ZPP anerkannt sind, und eben dann von der Krankenkassenerstattung profitieren. Mein Wirbelsäulenkurs hat den Pluspunkt, der entspricht aber keinem Konzept, was bei den Krankenkassen anerkannt ist und deshalb müssen die Teilnehmer beim Präventionskurs tatsächlich alles selber bezahlen, was sie aber auch gerne machen. Und ich kann berichten, dass es wirklich eine Warteliste für diesen Kurs gibt. Ich habe unheimlich viele Teilnehmer in der Halle und der Kurs spricht sich rum. Und wenn wir mehr Hallenzeiten zur Verfügung hätten, könnte ich auch noch mehr Kurse machen.
Martin:
Juliane, du hattest ja gerade noch erzählt gehabt, dass du einen Kurs im Angebot hast, der einen Pluspunkt hat, aber nicht von der Krankenkasse anerkannt ist. Wir haben ja auch in unseren vorherigen Folge ein bisschen darüber gesprochen gehabt, dass wir das auch nicht empfehlen würden, den einen Kurs anerkennen zu lassen, weil das relativ aufwendig ist. Liegt das jetzt daran? Also der Kurs bei dir ist nicht anerkannt, weil du ihn einfach nicht eingereicht hast oder liegt es daran, weil es so schwer ist, diesen Kurs anerkennen zu lassen, dass du gesagt hast, das lohnt sich einfach gar nicht? Was ist der Grund, wieso der Kurs nicht von der Krankenkasse anerkannt ist?
Juliane:
Also der Grund ist folgender, das ein normaler Wirbelsäulenkurs. Ich könnte ihn jetzt umstricken zu einem Präventionskonzept. Allerdings da hab ich das bislang nicht gemacht, weil dieser Kurs nach meinem privaten Konzept einfach super läuft und ich ihn deshalb nicht ändern möchte. Dazu kommt, dass ich ihn auch nicht zertifiziert bekomme. Zum einen, weil es unheimlich viel Arbeit wäre, ein eigenes Konzept zu schreiben, zu anderen weil ich nur „Übungsleiterin“. Ich habe also keine berufliche Vorqualifikation im Gesundheitsbereich, so dass allein diese Hürde nicht genommen werden kann und dann das ganze Konzept nicht anerkannt werden würde.
Martin:
Interessant das war jetzt sogar nicht bewusst, dass man nur mit einer Gesundheitsausbildung das Konzept einreichen kann. Ich dachte, man kann das auch als normaler Übungsleiter entwickeln und einreichen.
Juliane:
Leider nein, da braucht man dann eben die entsprechenden Lizenzen und das ist eben die Hürde, an der viele tolle Konzepte scheitern. Vor vielen Jahren war das noch anders, aber jetzt nach der Änderung der ZPP-Richtlinien ist es nicht mehr möglich. Deshalb greifen auch die großen Sportverbände eben nur noch auf ihre standardisierten Kursprogramme zurück, um eben diesen Verwaltungsaufwand bei den Übungsleitern zu minimieren und um zu sagen, dieses hier sind von den Krankenkassen anerkannte Programme. Diese können genutzt werden, da liegt schon alles notwendige vor, um eine Zertifizierung möglichst schnell durchführen zu können.
Martin:
Das heißt aber im Umkehrschluss auch, dass du dazu raten würdest, wenn Vereine der Meinung sind, dass sie ein qualitativ gutes Angebot haben, welches aber nicht von der Krankenkasse bzw. von der ZPP anerkannt wird, sollten sie das trotzdem so durchführen. Du kommst zu den Ergebnis, der Bedarf ist so hoch, dass auch die Leute bereit sind, für richtig gute Kurse auch 100% der Kursgebühren zu zahlen.
Juliane:
Ja, auf jeden Fall und dafür gibt es ja extra dieses Label „Pluspunkt Gesundheit“. Denn das zeigt, dass du einen qualifizierten Übungsleiter hast, der toll ausgebildet wurde mit einem guten Angebot. Und nur weil das Ganze nicht von der Krankenkasse gegenfinanziert wird, heißt ja nicht, dass es ein schlechtes Angebot ist. Ich vergleiche das immer mit dem liebsten Kind der Deutschen. Für unser Auto tun wir alles und wenn dein Auto irgendetwas hat, irgendeine Macke, dann gehst du sofort damit in die Werkstatt, um das zu reparieren. Wenn dein Körper aber eine Kleinigkeit hat, dann fragst du die Krankenkasse, ob sie dir Geld dafür gibt. Das passt doch nicht zusammen? Das heißt wenn der Körper, ein Wehwehchen hat, dann geh einfach in so ein Pluspunkt Angebot und lass dir helfen.
Pascal:
Wenn du jetzt sagst, die Teilnehmer zahlen die Kursgebühren selber – wie hoch sind die Kursgebühren bei dir jetzt gerade?
Juliane:
Also bei mir ist es wirklich überschaubar. Das heißt, die Teilnehmerzahlen im Moment für den Kurs um die 50€ für 3 Monate.
Pascal:
Verglichen mit unserem gesamten Beitrag für den Verein ist es quasi ein halber Jahresbeitrag. Ich will damit den Vereinsvertretern zeigen, dass da durchaus Potential drin steckt. Jetzt haben wir viel über Geld gesprochen. Geld natürlich nicht die Hauptmotivation des Ganzen, denn eigentlich wollen wir natürlich Menschen zum Sport bringen und wieder gesund machen beziehungsweise zur Prävention ermutigen. Der Grund, wieso wir immer über Geld sprechen, ist, dass zum einem die Ausbildung mit Kosten verbunden ist und zum anderen der Verein die Chance hat, sich auch quer zu finanzieren.
Martin:
Jetzt haben wir ganz viel darüber gesprochen gehabt, wie können wir Angebote machen, wie hoch ist der Bedarf überhaupt. Jetzt haben wir aber natürlich auch irgendwo Begrenzer des ganzen Themas. Jetzt sagen wir jedem Verein, macht Gesundheitssport. Aber gibt es dafür überhaupt genügend Übungsleiter oder gibt es dafür überhaupt genügend Interessenten, um Gesundheitssport durchzuführen?
Juliane:
Also ich glaube, wenn du 10 Vereine fragst, ob sie genügend Übungsleiter haben, dann werden wir 9 Vereine sagen, sie können noch Übungsleiter gebrauchen. Es werden immer Übungsleiter gebraucht, aber andererseits sind die Ausbildungen in unseren Landesturnverbänden auch sehr hoch frequentiert. Das heißt, es kommen ständig neue Übungsleiter nach. Aber im Moment können es tatsächlich nicht genug Übungsleiter sein, um die Angebote alle abzubilden.
Pascal:
Ich glaube, neben den Angeboten, die die Übungsleiter erstellen, fehlt es eben manchmal auch gerade in den Kommunen an Plätzen dafür. So ein Rehasport- oder so ein Präventionsportangebot das kann man mal eben nicht auf dem Sportplatz machen, da braucht man eben einen durchgängigen Raum, also eine Halle mit vernünftigem Equipment. Wenn es dann vor Ort eben keine Hallenzeiten mehr gibt, ist das, wie eben auch bei uns im Verein, ein Problem. Wir haben 4 Hallen zur Verfügung für einen Sportverein mit mehr als 2000 Mitgliedern. Aber trotzdem ist irgendwie kein Platz mehr frei. Wir teilen sie uns mit Schulen und dementsprechend ist es eben schwierig neue Angebote auch einzubringen.
Juliane:
Ja, das ist so, das ist auf jeden Fall ein limitierender Faktor Dann gibt es natürlich Präventionsangebote, die auch draußen stattfinden können z.b. in Richtung Nordic-Walking. Hier gibt es standardisiertes Konzept, dass man auch draußen nutzen kann. Aber der größte Teil dieser Angebote sollte natürlich schon in einer adäquaten Halle stattfinden. Schließlich steht schon in den Anträgen der ZPP, wie viel Quadratmeter pro Person da sind. Da heißt, es wird vorausgesetzt man nutz eine Sporthalle.
Martin:
Ich sehe noch ein weiteres Problem. Durch die aktuelle Coronakrise hat sich auch die Finanzsituation der Kommunen verschärft und da gibt es auch schon diverse Überlegungen Schwimmbäder zum Beispiel zu schließen. Es gibt eine Studie, die hat ergeben, dass 17% der Kommunen aktiv darüber nachdenken, Schwimmhallen zu schließen oder zumindest den Betrieb zu reduzieren. Das ist natürlich, wenn wir überlegen, dass ein Teil des Gesundheitssportangebots auch im Schwimmbad stattfindet, pures Gift um den Bereich weiterzuentwickeln. Gerade alles, was mit Wassergymnastik oder anderem gelenkschonenden Sport zu tun hat, ist natürlich extrem entscheidend für den Bereich Rehasport. Ein Abbau der der Durchführungsmöglichkeiten werden, behindert die weitere Entwicklung des Gesundheitssport.
Pascal:
Juliane, ist für dich denn Gesundheitssport ein Angebot, was das, normale Vereinsangebot ergänzt oder ist das ein Verdrängungsangebot? Wie nimmst du das wahr bei uns im Verein?
Juliane:
Also bei uns im Verein ist es auf jeden Fall eine tolle Ergänzung. Wir bekommen über den Gesundheitssport neue Mitglieder und die wiederum gehen in die bestehenden Dauerangebote. Das heißt läuft ganz klar Hand in Hand und ergibt Sinn. Was ich gerne noch sagen möchte, ich glaube in der momentanen Situation gibt es viele Menschen, die jetzt nach einer Coronaerkrankung auch wieder an den Sport herangeführt werden müssen. Ich glaube, dass Gesundheitssport ein großer Schlüssel dazu sein kann, um diesen Menschen zu helfen, und das sehe ich als die Aufgabe unserer Sportvereine. Sie haben die Aufgabe jeden Menschen dort abzuholen, wo er jetzt gerade ist, ihm spezielle Angebote anzubieten, um auf die Bedürfnisse einzugehen nach der Erkrankung und auch um den sozialen Austausch mit Gleichgesinnten zu fördern. So gewinnt man sie später auch als Mitglieder.
Pascal:
Das ist aus meiner Sicht sowieso wichtig, dass wir den Leuten wohnortnahe niederschwellige Angebote machen, um sie abzuholen. Wir als Verein dürfen uns nicht darauf verlassen, dass die Leute zu uns kommen und auf sie warten, sondern wir müssen proaktiv sein.
Juliane:
Ja das sehe ich auch so. Also viel Netzwerken ist, glaube ich, in dieser Zeit Vereine auch wichtig. Man sollte über den Tellerrand hinausschauen und nicht nur den eigenen Verein, sondern vielleicht auch Nachbarvereine, mit denen man ggf. kooperieren kann im Blick haben. Aber auch andere Institutionen aus der der Gemeinde, die die gleichen Sorgen und Nöte haben, können geeignete Kooperationspartner sein. Dann ist, so glaube ich, der gesamten Gesellschaft geholfen.
Pascal:
Und ich glaube, diese Netzwerk lohnen sich. Also ich kann ja mal kurz aus dem Nähkästchen plaudern und spanne damit den Bogen wieder zu unserer Eingangsfrage von allen Gesundheitssportfragen nämlich „Ist der Gesundheitssport die Gelddruckmaschine der Vereine?“. Ich möchte dir allen nochmal kurz das Potential klar machen.
Wir bei uns haben 8 Kurse im Bereich Rehasport und erzielen damit einen fünfstelligen Umsatz. Wir liegen so ungefähr bei 30.000€ Umsatz im Jahr damit. Dazu kommen dann noch so 3 bis 4 Präventionskurse, die bei uns in einem anderen Bereich der Abteilung angesiedelt sind, da kommen dann noch mal 4.000€ bis 5.000€ zusammen. Das heißt, wir sind da bei einem bei einem echt guten Umsatz im Jahr. Und was bleibt am Ende übrig?
Wir machen damit circa eine Marge von ca. 10-30%. Das lohnt sich also schon, wenn man das mal in den Gesamtkontext packt. Das kann man für Projekte oder andere Abteilungen, die vielleicht im Leistungssport mehr Geld brauchen, als Querfinanzierung verwenden.
Martin:
Kommen wir zu abschließenden Frage nachdem wir viel diskutiert haben Was ist für Euch Gesundheitssport?
Juliane:
Also für mich ist Gesundheitssport einfach eine abwechslungsreiche Form der Bewegung, bei der sowohl das Herz-Kreislauf-System als auch der Bewegungsapparat angesprochen wird. Man geht dabei auf die Lebensbedürfnisse der Menschen ein, aber auch das soziale kommt nicht zu kurz und jeder wird genau dort abgeholt, wo er körperlich und leistungsmäßig steht. Das erfolgt durch die Differenzierung in den einzelnen Kursen, durch die ausgebildeten Übungsleitern, die diese Differenzierung vornehmen können, dadurch ist Gesundheitssport einfach eine ganz tolle Sache.
Pascal:
Bei mir ist es genauso. Ich würde noch die Sicht der Vereine ergänzen wollen. Ich habe gerade schon gesagt, es lohnt sich sowohl finanziell, aber eben auch wenn wir eine neue Zielgruppe ansprechen wollen beziehungsweise auf unsere Mitglieder zukommen, um zukünftig dort auch Angebote zu schaffen. Ich glaube, es kann sich kein Verein mehr leisten, auf die Leute zu warten und der Gesundheitssport ist ein wunderbarer Megatrend, der in unsere Kernkompetenz fällt das Sportfeld, wo eben für Vereine viel Potential drinsteckt und wo es die Möglichkeit gibt, auf eine neue Art und Weise mit Mitgliedern und Nichtmitgliedern zu interagieren und eben seinen Beitrag zu leisten. Am Ende erfüllt man damit seinen Vereinszweck, weil irgendwie wollen wir doch alle nur, dass Leute Sport machen, gesund sind, Spaß und Freude am Leben haben. Wie siehst du das? Martin, das ist eine Einordnung dazu.
Martin:
Ich habe beim Thema Gesundheitssport für mich gelernt, dass ich, wenn ich diesen Plan verfolge, den ich ja mal vorgestellt hatte, in Leipzig ein Rennradsportverein zu etablieren, da auch gerne ein Präventionsangebot mit einbauen möchte. Warum? Beim Radsport trainiert man logischerweise sehr viel die Beine, aber wenig den Rücken und den Oberkörper, was immer wieder zu Problem führen kann. Ich glaube, dass Präventionssportangebote dafür sehr gut sind, weil man zum einen natürlich die Radsportler im Winter damit fitter machen und auch so Schäden vorbeugen kann. Zum anderen bekommt man nochmal andere Leute in den Verein, die mit Radsport rein gar nichts zu tun haben. So kann man den Verein auch quersubventionieren und das finde ich eigentlich etwas sehr gutes. Daher sollte auch jeder Spartensportverein darüber nachdenken, so ein Angebot bei sich zu integrieren.
Damit möchte ich die Diskussion abschließen. Ich danke Dir Juliane ganz herzlich für deine Zeit und noch mehr für deinen fachlich sehr guten Input, bei dem ich heute selber noch etwas gelernt habe. Bis zum nächsten Mal.
Wir hoffen, du hattest viel Spaß beim Lesen der Diskussion. Falls du uns selber gern deine Meinung mitteilen möchtest, schreibe uns gerne eine E-Mail an info@vereinsstrategen.de.
Deine Vereinsstrategen
(Martin Schüttler)